Rassismus - Faktum Magazin

Der strukturelle Rassismus
Gedanken zur Neudeutung bislang nicht in Frage gestellter Erkenntnisse
von Michael Mansion

Im Spiegel Nr. 25 vom 13.06.20 findet sich ein Interview mit Yasemin Shooman. Sie ist – wie es heißt – Rassismusexpertin und wissenschaftliche Geschäftsführerin des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (Dezim).
Zuvor leitete die Historikerin die Programme der Akademie des Jüdischen Museums.

Die Spiegel-Journalistin Katrin Elger stellt ihr unter der Überschrift „Es geht um viel mehr“ einige Fragen und leitet diese zunächst mit der Feststellung ein, es gäbe in den USA eine andere Dimension rassistischer Polizeigewalt als in Deutschland.

Damit wird zunächst einmal suggeriert, dass es auch in Deutschland rassistische Polizeigewalt gibt, diese jedoch eine andere Dimension wie die in den USA hat. Ein simpler dialektischer Umkehrschluss.

Yasemin Shooman spricht in diesem Zusammenhang von einer in den USA grundsätzlich schlechteren Gesundheitsvorsorge und mangelhaften Bildungsangeboten für die dunkelhäutige Bevölkerung und meint, dass dies strukturelle Probleme seien, die wir auch aus Deutschland kennen.

Auch bei uns hätten bestimmte Bevölkerungsgruppen ein höheres Risiko die Schule abzubrechen und zu verarmen.
Das stimmt wohl, kann jedoch sehr viele Gründe haben, die sich analytisch nicht als Rassismus erschließen müssen. Frau Shooman nimmt auch keinen Bezug auf diese Gruppen im Hinblick auf deren soziokulturelle Beschaffenheit.

Auf die Frage der Redakteurin Katrin Elger, wie denn struktureller Rassismus in Deutschland aussehe, meint Frau Shooman, dass z. B. Menschen mit anderer Hautfarbe häufiger verdachtsunauffällig kontrolliert würden. Lehrer würden Kinder mit nicht deutsch klingenden Namen systematisch schlechter bewerten und dies nicht etwa deshalb, weil sie diese für weniger intelligent hielten.

Worauf beruft sich Yasemin Shooman hier? Welche Fallzahlen hat sie zur Hand?

Man darf getrost davon ausgehen, dass die Lehrerverbände und auch die GEW ihren Vorwurf einer systematischen Schlechterbewertung der nicht deutsch aussehenden Kinder nicht so stehen lassen werden!

Warum übrigens sollte hier Rassismus im Spiel sein, wenn Frau Shooman doch selbst unterstellt, die behauptete Schlechterbewertung habe nichts mit unterstelltem Intelligenzmangel zu tun?

Es ist doch für den Rassismus ganz wesentlich, dass er eine vor allem intellektuelle Überlegenheit einer bestimmten Rasse unterstellt! Oder hatten wir da etwas falsch verstanden?

Bei der Frage, ob man den Lehrern eine rassistische Gesinnung unterstellen könne, spricht Frau Shooman von einem Missverständnis, weil Rassismus nicht beabsichtigt sein müsse, um rassistisch sein zu können.

Natürlich, denn ein Rassist muss mit seinem falschen Menschenbild nicht zwingend etwas beabsichtigen. Es stünden – so Y. Shooman – dahinter nicht nur Einzelne mit niederträchtigen Motiven. Man müsse auch auf die institutionelle Struktur achten, wo Menschen möglicherweise ohne böse Absichten benachteiligt werden.

Das bedeutet aber zu Ende gedacht, dass auch unbewusste Benachteiligung schon Rassismus sein kann. Schon das Vordrängen an der Theke kann also…! Das muss einem erst mal bewusst werden, weshalb wir vermutlich das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung dringend brauchen.

Frau Shooman spricht von „solchen Fehlinterpretationen“, die es in Deutschland gebe, weil hier der Rassismus und Antisemitismus als historische Phänomene begriffen werden, die man überwunden glaubte, so dass man Rassismus nur bei Rechtsextremen glaubt verorten zu können.

Die Wurzel des Übels ist für Yasemin Shooman also so etwas wie eine historische Verdrängung, die den Blick auf einen offensichtlich virulenten Antisemitismus und Rassismus trübt, weil dieser (wie mehrheitlich medial verkündet) offenbar allgegenwärtig ist.

Wir haben die grölenden Horden der SA bislang bloß noch nicht an unser Auge und Ohr gelassen, wenn sie marodierend und prügelnd durch die Straßen ziehen, weil wir das einfach verdrängen.

Vor dem Hintergrund der fremden- und ausländerfeindlichen Brandanschläge, habe die Aufmerksamkeit bald wieder nachgelassen und man müsse über Begrifflichkeiten sprechen, denn beide Begriffe seien Vermeidungs- und Alternativbegriffe, die sich hierzulande etabliert hätten, weil der Rassebegriff der Nazis mit einem Tabu belegt sei.
Man habe deshalb (hierfür) in Deutschland den Begriff Rassismus vermieden, weshalb er (also der Rassismus) nicht verschwunden sei.

Es würde heute weniger mit biologischen Rassentheorien argumentiert (welche gibt es denn noch?), als mit ethnischer, kultureller oder religiöser Zugehörigkeit, wobei die Funktion weiterhin darin bestehe, die als „fremd“ markierten Gruppen vom Zugang zu materiellen und symbolischen (?) Ressourcen auszuschließen, was die Privilegien der Eigengruppe legitimiere.

Halten wir also fest: Der Rassismus muss mit Biologie nichts mehr zu tun haben. Ob sich das bei den Genetikern schon herumgesprochen hat, ist vorerst unklar.

Die als „fremd markierten“ Gruppen werden nach Ansicht von Yasemin Shooman zudem materiell und symbolisch von Ressourcen ausgeschlossen, um die Privilegien der Eigengruppe zu legitimieren.

Da mit Eigengruppe wohl die eigene, autochthone und Steuern zahlende Bevölkerung gemeint ist, welche ihren Wohlstand hart erarbeitet hat, kann es als nobel gelten, wenn diese eine Teilhabe gewährt. Von einem Dauerrecht auf lebenslange Alimentation von Millionen von Menschen als einem moralisch einzufordernden Grundrecht auszugehen, ist ein sehr seltsames Geschichtsverständnis, zumindest für eine Historikern.

Bei der Frage, wer denn in Deutschland nun vom Rassismus betroffen sei, meint Frau Shooman, es seien aktuell fünf besonders „vulnerable“ Gruppen, wie Schwarze, Sinti und Roma, Muslime und (Corona-bedingt) auch Asiaten, wobei zu bedenken sei, dass diese bereits 1992 in Rostock-Lichtenhagen ein Ziel gewesen seien.
Auch Juden würde sie als verletzliche Gruppe benennen wollen, wobei sich Antisemitismus nicht ohne Weiteres unter den Oberbegriff Rassismus subsumieren lasse.

Der Antisemitismus sei viel stärker von Verschwörungstheorien geprägt, während es beim Rassismus darum ginge, andere als minderwertig darzustellen.

Das ist eine sehr interessante Formulierung, weil zunächst der leider unscharfe Begriff des Antisemitismus in der NS-Zeit ein fundamentaler Teil der rassistischen Argumentationsketten der Nazis war und davon nicht zu trennen ist. Vom jüdischen Untermenschen war die Rede.

Seltsam mutet auch an, dass außer den über Jahre eingewanderten Italienern, Portugiesen, Griechen, Polen, Spaniern. Russen, Serben, Kroaten, Briten, Mazedoniern und noch ein paar Südsee-Insulanern, offenbar alle anderen einem strukturellen Rassismus ausgesetzt sind.

Sogar – wie eher vorsichtig hinzugefügt wird – auch Juden. Da staunen wir aber und gehen anständigerweise davon aus, dass ihnen lediglich von der deutschen Bevölkerung rassistisches Ungemach zugemutet wird. Von sonst wohl niemandem, den man da noch nennen dürfte!

Dass der Antisemitismus bzw. der Judenhass von Voreingenommenheiten und Verschwörungstheorien lebt, dürfte bekannt sein, aber eben auch vom hasserfüllten Neid seiner geographischen Nachbarn und Feinde, die, festgefahren in einem mittelalterlich anmutenden Religionskorsett, die Moderne verpassen und von einem „Endsieg“ träumen, der für sie identisch mit der Vernichtung des Staates Israel ist.

Frau Shooman hat recht, wenn sie dem Rassismus unterstellt, dass er andere als minderwertig einstuft, dies jedoch entgegen ihrer Begründung sehr wohl genetisch, weil es sonst kein Rassismus sein kann, sondern nur ein Ressentiment, dessen Wirkung deshalb keineswegs weniger gefährlich sein muss. Ein Rassismus ohne Rassen ist aber kein Rassismus!

Auf die Frage nach dem sog. antimuslimischen Rassismus in Deutschland antwortet sie nicht etwa korrigierend, denn als Wissenschaftlerin dürfte ihr aufgefallen sein, dass ein antimuslimischer Rassismus, seiner Begrifflichkeit nach, eine Religionszugehörigkeit genetisch werden lässt.

Eine durchaus interessante, jedoch leider völlig idiotische Verwandlung.

Sie meint jedoch, er gehöre nach repräsentativen Meinungserhebungen zu den am weitesten akzeptierten Formen des Rassismus in Deutschland.

Rechtspopulisten artikulierten ihn am unverhohlensten und er sei in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Es gäbe unzählige(?) Beispiele für Angriffe auf Moscheen und antisemitische Gewalt. Das Phänomen erfahre jedoch nicht die nötige Aufmerksamkeit.

Mal unabhängig davon, dass Frau Shooman mit keinem Wort die muslimischen Übergriffe auf Christen und christliche Gotteshäuser erwähnt, steht die Geschäftsführerin des Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung offensichtlich für die Beseitigung eines wesentlichen Elements der abendländischen Aufklärung—die Religionskritik, welche sie unter Rassismus-Verdacht stellt.

Weiterhin bedeutet das, dass sie Religion mit Rasse gleichsetzt und unterstellt, diese Form von Rassismus sei gesellschaftlich weitestgehend akzeptiert und würde von denen, die sie für Rechtspopulisten hält, instrumentalisiert.

Allerdings sei es einfacher geworden, die Probleme anzusprechen. Positiv sei hier der Kabinettsbeschluss „Rassismus und Rechtsextremismus“.

Wir bräuchten hier eine längerfristige Strategie.

Zum guten Schluss fragt Katrin Elger vom Spiegel, worauf man denn achten sollte, um sich diskriminierungsfrei auszudrücken. Die Leute seien ja mittlerweile verunsichert.

Da macht Fr. Shooman den durchaus vernünftigen Verschlag einmal zu fragen, wie Sinti oder Roma denn gerne angesprochen werden würden.

Vielleicht ja nicht gleich mit einem distanzlosen „Du“ könnte man vorschlagen.

Sie meint aber, es sei schwer nachvollziehbar, wie viel Energie manche Leute darauf verwenden, auf Begriffen wie „Zigeunerschnitzel“ zu beharren, anstatt das (was?) einfach zu akzeptieren.

Warten wir also auf die diskriminierungsfreie Speisekarte mit dem Sinti oder Roma-Schnitzel, bevor uns das Fleisch-essen als antitierischer Rassismus um die Ohren gehauen wird.

Fazit:
Man könnte vor so viel verordnetem Schwachsinn zur Tagesordnung übergehen, aber so einfach ist es diesmal nicht.
Hier lässt eine Bundesbehörde krude Unwissenschaftlichkeit verbreiten, was auch noch fast verzeihlich wäre, aber das in Anwendung bringen des Rassismus-Begriffes bei jeder wie immer auch unterstellten Form von Benachteiligung und/oder Ressentiment, entwertet zunächst einmal den Begriff selbst und nimmt ihm bei einer Trennung von seiner genetischen Begriffs-Substanz zudem jegliche, einen Rassismus eindeutig aufzeigende Bedeutung.

Er gewinnt auch als „struktureller Rassismus“ keine zusätzliche Gestalt, weil dies ganz im Gegenteil s/eine diffuse (strukturelle) Allgegenwart zu unterstellen versucht.

Wer hier nicht einfach Dummheit unterstellen will, kommt an einer Absichtsvermutung nicht vorbei, die in diesem Falle mit einer Verschwörungstheorie nichts gemein hat.

Die inflationäre Anwendung eines in so hohem Maße kriminalisierenden und entmenschlichenden Begriffs zum Zwecke der Ausschaltung und Diskriminierung von legitimer Kritik, ist eine Verfahrensweise autoritärer und antidemokratischer Staaten gegen ihre Opposition.

So dies hier „Schule macht“ und sich als Methode etabliert, hat der Staat seine demokratische Legitimation verloren und gleitet in einen Totalitarismus der Beliebigkeit ab.

Die Bürger sind dann in der Situation derjenigen Elterngeneration befindlich, welcher meine Generation den aus meiner heutigen Sicht anmaßenden Vorwurf gemacht hatte, sie seien in feiger Duldung die Büttel einer Diktatur geworden.

Ihr damals möglicher Widerstand war ab einem relativ frühen Zeitpunkt nach der NS-Machtübernahme sehr gefährlich, weil Haft, Folter und KZ drohten.

In der aktuellen Situation gibt es keinen erkennbar für Leib und Leben gefährlichen Grund für ein weiteres Schweigen!

Nein,—wir stehen nicht vor einer faschistischen Machtübernahme, weder durch die AfD, noch durch Fr. Merkel, aber wir stehen vor einem schleichenden Verlustigwerden elementarer Bürgerrechte, deren wesentlicher Ausdruck der freie, offene und gelegentlich diametral gegensätzliche Diskurs ist.

Das und nichts anderes ist die Bedrohung unserer Tage, weil gemeinsame Lösungen aus Krisen eine Kritik an politischen Fehlern zwingend ein- und nicht ausschließen muss.