Im Namen des Volkes - Faktum Magazin

zu: „Spiegel“ Nr. 52 v. 2019,
Im Namen des „Volkes“
von Dr. Kailitz

Sehr geehrter Herr Dr. Kailitz,

ich bin ein second-hand Spiegel-Leser, so dass ich nicht regelmäßig in den „Genuss“ dieses sog. Qualitätsmediums komme und möchte vorab – um mögliche Verwirrungen auszuschließen – darauf hinweisen, dass mein persönlicher Ansatz für eine gesellschaftskritische Herangehensweise, in nicht geringem Maße durch den Marxismus beeinflusst ist.

Insoweit begreife ich die aktuelle Situation als ziemlich fatal, nicht zuletzt auch deshalb, weil durch einen zunehmend diffus gewordenen Umgang mit bislang relativ klaren Begrifflichkeiten, ein angemessener Diskurs nicht mehr möglich ist.

Es gibt für Deutschland und Europa drei zentrale Problemfelder in Gestalt der „Euro-Rettung“ im Zusammenhang mit der EU-Agenda, die vornehmlich muslimische Migrationsbewegung nach Europa und hier vor allem nach Deutschland, sowie die aktuelle Klima-Debatte.

Für diese Problemfelder gibt es die unvermeidlichen Unterabteilungen, was jedoch weniger problematisch erscheint als das, was ich den offiziellen Sittenkodex nenne, welcher (politisch-medial) im Vorfeld die moralisch zulässige Reichweite einer möglichen Kritik bestimmt.

Man mag eine solche „Vorgabe“ für nicht existent erklären, sähe sich jedoch mit der eigenen Verwunderung auch nur schon bei der Lektüre des „Spiegel“ konfrontiert oder der Süddeutschen oder der FAZ.
Ich bin (1943 geboren) ein wenig älter als Sie, komme aus einem sehr konservativen Elternhaus und hatte das große Glück, noch Menschen lebend anzutreffen, die den Holocaust überlebt hatten und unter ihnen befanden sich sehr gute Theoretiker wie der jüdische marxistische Wissenschaftler Josef Schleifstein [pdf: Schleifstein Reale Geschichte (pdf)] oder der jahrelange Bundesvorsitzende der VVN-Bund der Antifaschisten Emil Carlebach.

Nicht zuletzt durch diese Menschen wurde ich auf einen für mich damals großen und offenen Fundus hingewiesen, den man sich erarbeiten musste, was natürlich nicht ohne Widersprüche möglich, aber zumindest doch in dem Sinne erfolgreich war, dass ich den für mich zentralen Ort eines kritischen Bewusstseins in einer herrschaftskritisch-emanzipatorischen Gesellschafts- und Subjektwissenschaft zu verorten lernte.
Das Wesen dieser Betrachtung von Wissenschaftlichkeit ist für mich nicht nur ein Verfahren von Stringenz und Empirie, sondern (dies einschließend), ein nach oben offenes und damit nicht im Vorfeld festgelegtes Ergebnis.

Es sei hinzugefügt, dass nicht zuletzt auch viele Vertreter der marxistischen Theorie dagegen verstoßen haben, was zur Vorsicht mahnt. Ein Gebot, das selbstverständlich auch für mich gilt.

Sie haben im „Spiegel“ Nr. 52 v. 2019 unter dem Titel: Im Namen des „Volkes“ einen Beitrag veröffentlicht, in welchem Sie der AfD die Sprache der Nationalsozialisten unterstellen, wofür sie einige Beispiele anführen und von Tricks sprechen, die im Kern die gleichen (wie die der Nazis) seien.

Das ist ein schwerwiegender Vorwurf, mit dem sich die AfD selbst auseinandersetzen muss, um dies, falls gewollt, zu korrigieren.

Zugleich ist sie aber mit diesem Vorwurf zumindest ideologisch mit der Nazipartei gleich gesetzt, was (gewollt oder ungewollt) keine weitere Luft mehr nach „Rechts“ lässt. Das halte ich für sehr gewagt und zwar auch deshalb, weil der antisemitische Judenhass der Nazis auch im Reichsdeutschland keine Totalität war. Er galt – historisch begründbar – allenfalls für das Umfeld der NSDAP und die davon profitierenden Kohorten, sowie in der Form eines jedoch nicht hassbesetzten antijüdischen Ressentiments, als eines zweifellos nicht nur deutschen Phänomens. Dem verbleibendem großen Rest ist zu unterstellen, dass sie zu willfährigen Mitläufern wurden.

Vielleicht ist das ja Ihre Befürchtung?

Dies wiederum würde aber voraussetzen, dass sie den Anteil der jüdischen Bevölkerung in Nazi-Deutschland, welcher ein manifester, über Generationen gewachsener und kultursoziologisch homogener Bestandteil des deutschen Kulturlebens war, mit den in den letzten Jahren zugewanderten Muslimen gleichsetzend betrachten und werten.

Hier sehe ich mehr als nur eine große Schwierigkeit vor allem dann, wenn man sich die Gestaltungskraft des jüdischen Geisteslebens auch und vor allem auf der philosophischen Ebene (Lukacs, Bloch, Benjamin) vergegenwärtigt, wobei es ja so ist, dass gerade die marxistischen Theoretiker, denen die Nazis Kulturbolschewismus unterstellten, sich in hohem Maße der Tradition der Aufklärung verpflichtet fühlten, weshalb es auch bei ihren zweifellos im Nachhinein erkennbaren Irrtümern völlig unmöglich ist, deren Geisteshaltung auch nur ansatzweise auf die von muslimischen Religionswächtern reduzieren zu wollen. Dies geschieht jedoch durch eine quasi Gleichsetzung von jüdischem und muslimischem Leben in Deutschland in einem doppelten Sinne vor allem dann, wenn die Kritiker des Islam, der uns eben nicht in Form einer lediglich neuen Religion begegnet, sondern in Gestalt einer vormodernen, demokratie- und frauenfeindlichen Herrschaftskultur, in nachgerade empörender Weise als Nazis denunziert werden.

Es gibt zu diesem Thema ausreichend wissenschaftlich fundierte Literatur auch und gerade von sehr gebildeten Menschen aus dem muslimischen Kulturkreis, die in den letzten Jahren mehrfach ihr Erstaunen darüber kund getan haben, dass es vor allem in Deutschland eine vor allem linke Kumpanei mit dem Islam zu geben scheint. Diejenigen, welche ja aus historischer Sicht im Grunde die Werte der Aufklärung verteidigen müssten, machen sich zum Büttel konservativ-muslimischer Interessenvertreter. Mit Naivität alleine ist das nicht mehr zu entschuldigen.

Es ist auch nicht zu entschuldigen, wenn Sie Islamkritik, die in diesem Falle ja primär eine Ideologiekritik ist, mit der faschistischen Begrifflichkeit von Verjudung in der NS-Zeit gleichsetzen.
Man mag gewisse verbale Entgleisungen von AfD-Abgeordneten durchaus mit Recht kritisieren, wird sich aber die Gegenfrage gefallen lassen müssen, ob man eine emotionale oder faktenorientierte Debatte führen will.

Es hat nach BKA-Angaben im Jahre 2018 alleine in NRW im ersten Halbjahr über 8000 (!) Messerangriffe gegeben. Dabei ist es doch zumindest sehr unwahrscheinlich, dass so etwas unter der deutschen Bevölkerung plötzlich in Mode gekommen sein sollte. Es ist auch genau so wenig nachzuweisen, dass es für einen dynamisch anwachsenden militanten Judenhass unter der deutschen Bevölkerung (Antisemitismus ist ein unscharfer Begriff) auch nur irgend einen Grund geben könnte.

Dieser Judenhass ist ein Importgut, wie nicht nur ein jüdischstämmiger Wissenschaftler wie Prof. Michael Wolffsohn deutlich macht. Ich verweise hier auch und vor allem auf die Arbeiten von Prof. Tilmann Nagel, Hartmut Krauss und Prof. Abdel Hakim Ourghi.

Sie kritisieren die aus Ihrer Sicht völkische Konnotierung der AfD-Kritik an einer von ihr unterstellten (und nicht gewünschten) „Durchmischung“ der Bevölkerung. Hierzu muss man allerdings auch sagen, dass es sich dabei um eine EU-Agenda im Zusammenhang mit der UN-Flüchtlingsstrategie handelt, welche von einer jährlichen Zuwanderungsquote von 1 Million (alleine nach Deutschland) ausgeht.

Da es sich hier vornehmlich um junge Männer handelt, dürfte durchaus mit gewissen Problemen zu rechnen sein, da es solche Erfahrungen ja bereits gibt und zwar vor allem in Frankreich, wo im mehr als 15 großen Städten ganze Stadtteile an die muslimische Community verloren gegangen sind, die dort in Gegengesellschaften mit einer eigenen Rechtsprechung leben und wo man es längst aufgegeben hat, von einer Integration in die französische Kultur zu sprechen.

Kultur ist übrigens das Stichwort hinsichtlich der (nicht nur) AfD-Kritik an Fr. Aydan Özoguz und der Herr Frans Timmermans wäre hinzuzufügen, denn beide sind der Ansicht, dass es eine nationale Kultur eigentlich nicht gäbe, denn es handele sich im Grunde nur um soziale Konstrukte (auch Robert Habeck vertritt diese Meinung).

Im Moment laufen in Bonn die Vorbereitungen für ein besonderes soziales Konstrukt in der Gestalt des Beethoven-Jahres. Dessen Sonaten müssen nicht für alle genussvoll sein und die Nachkriegs-Amerikanisierung der Gesellschaft ist vielleicht auch der Grund dafür, dass leider zu viele Leute den Unfug vom kulturellen Sozialkonstrukt offenbar ungerührt zur Kenntnis nehmen.
Es gibt hier ja auch sehr positive Erfahrungen etwa mit Menschen aus Asien, die mit ihrer Begeisterung für die europäische Kultur in ihrer Einmaligkeit eigentlich ein Beschämen bei kulturvergessenen Deutschen hervorrufen müssten, welche natürlich nichts verteidigen werden, was sie nicht kennen.

Die von Ihnen kritisch angesprochene Remigration ist auch nicht so menschenfeindlich wie Sie darzustellen versuchen, indem sie Björn Höcke (als zentrale Reizfigur) mit möglichen „Grausamkeiten“ zitieren.
Das UNHCR, also das UN-Flüchtlingshilfswerk ist eine flüchtlingsfreundliche Einrichtung und von dort ist zu hören, dass nicht einmal 10{18423f3510016d69a38748c31b9d3c63e55e56caeb597c341a8ea176480d5299} der hier einwandernden Menschen Kriegsflüchtlinge seien und von diesen könnten eher nur 5{18423f3510016d69a38748c31b9d3c63e55e56caeb597c341a8ea176480d5299} ein Asylrecht reklamieren. Ein interessantes Zahlenspiel!

Die Bevölkerung Afrikas wächst alle 12 Tage um eine Million (Gunnar Heinsohn) und Sie müssen sich die Frage gefallen lassen, wie sie sich unter diesen Umständen die Rettung eines ganzen Kontinents vorstellen, worauf ja eine mehr oder weniger unbegrenzte Zuwanderung hinausläuft, die ja auch jetzt trotz anderer Meldungen munter weitergeht und mit der Bevölkerung nicht kommuniziert wird oder höchstens im Sinne einer Vorgabe, an welcher Zweifel zu haben nur zum Preis gesellschaftlicher Ausgrenzung möglich ist.

Selbstverständlich ist nicht jeder einwandernde Moslem ein potenzieller Terrorist. Das ist zwar ein durchaus ernst zu nehmendes Problem, welches unseren Sicherheitsapparat in nie gekannter Weise aufgebläht hat, aber wir erleben selbst bei den Türken in der bereits 3. Generation eher eine Rückentwicklung zu „Alten Werten“. Vor allem für die Frauen ist das vormodern patriarchalische Gesellschaftsmodell des Islam mit körperlicher Züchtigung, Ehrenmorden und Zwangsverheiratungen eine schwere Last.

Die Bildung krimineller Clans, wie wir sie vor allem in NRW erleben, sind zudem ein großes Übel und für den Sicherheitsapparat eine kaum zu bewältigende Herausforderung.
Der Blick ins Ausland (etwa nach Schweden oder England) ernüchtert ebenfalls, weil trotz hohem finanziellem Aufwand für die Steuerzahler, die muslimische Zuwanderung nicht nur kein Gewinn für die Gesellschaft ist, sondern eine Sicherheit und Wohlstand bedrohende Gefahr für kommende Generationen.

Kein Autor außer Michel Houellebecq hat es so treffend vermocht, ein höchst wahrscheinliches Zukunftsszenario eines europäischen Rechtsstaates (Frankreich) zu beschreiben, in welchem die angeblich nicht vorhandene, da nicht klassisch missionierende Islamisierung, eine Gesellschaft in anpasserischer Feigheit und bei Verrat der Werte der Aufklärung, dem muslimischen Herrschaftsanspruch unterwirft.
Das ist die Blaupause eines missverstandenen Multikulturalismus, welcher nicht begreift, dass all das, was Demokratie ausmacht, in kürzester Zeit für immer verloren gehen kann und sich zudem mit dem Projekt selbst vollständig überfordert.

Da Sie am Schluss angemerkt haben, es müsse eine demokratische Pflicht sein, dass Schwarz/Rot/Gold nicht „kontaminiert“ werde. Möchte ich dran erinnern, dass es (pseudo-) linke Demonstranten waren, die in Berlin bei einer der letzten Demos die Landesfahne als eine Fahne der Faschisten bezeichneten und in diesem Falle waren die Farben nicht etwa Schwarz/Weiß/Rot.

Mit freundlichen Grüßen im neuen Jahr!

Michael Mansion