Die politische Debatte und das Links-Rechts-Missverständnis
von Michael Mansion

Ein tiefer Einblick in die vorfindlichen Formen des politischen Bewusstseins.


 

Jeder Versuch, in Deutschland ein Selbstverständnis für die Notwendigkeit einer permananten oder wenigstens temporären politischen Debatte auch durch eigenes Vorbild zu schaffen, zu stärken und damit dem medialen Alibi-Anspruch der Talk-Show zu entreißen, ist zu begrüßen.

Zugleich gilt es – im Vorfeld der Bemühungen – eine Basis für erkenntnistheoretische Kategorien zu schaffen, was im Sinne des nicht nur soziologischen, sondern in Einzelfällen auch philosophischen Verständnisses des gesellschaftlichen Seins zugleich einen Nachholbedarf offen legen wird, welcher dem Niedergang der Soziologie als einer (nicht mehr) öffentlichen Wissenschaft geschuldet ist.

Die letzten noch bedeutsamen und vor allem öffentlichen Debatten, gab es in den frühen 80er Jahren und es würde ein interessantes Diskursfeld offen legen, die Frage beantworten zu wollen, warum es danach so still geworden ist.

Es kann sogar sein, dass das eine zentrale Frage hinsichtlich des vorfindlichen Politik-Verständnisses ist, was eine ganz eigene Debatte voraussetzen würde.

Selbst der klügste Verweis auf die notwendige Permanenz (der Debatte), wird an der Einsicht nicht vorbei kommen, dass es so etwas gibt, wie einen Ereignishorizont, von dem die jeweils aktuellen Debatten maßgeblich beeinflusst bzw. initiiert werden.

Der Anteil des Emotionalen ist in hohem Maße bestimmend, indem er „das Ereignis“ in einem gewissen Sinne verwaltet und der analytischen Betrachtung erst mit einer gewissen Zeitverzögerung öffnet.

Es folgt – wenn überhaupt – ein Streit um Deutungshoheiten, der unter bestimmten Umständen in einen medial verordneten Konsens mündet, dessen Leitlinie zu verlassen, den oder die Kritiker zu Parias macht, die man nach Gutdünken am linken oder rechten gesellschaftlichen Rand verortet.

Die aktuell vorfindliche Gesellschaft erlebt sich gerne als eine harmoniebedürftige gesellschaftliche Mitte, der jedwede fundamentale Gesellschaftskritik abwegig erscheint, was zugleich nicht bedeutet, dass eine generelle Kritikunfähigkeit zu konstatieren wäre.

Zugleich besteht das Dilemma einer konkreten Standortbestimmung vor dem Hintergrund der klassischen Links/Rechts-Deutungsmuster.

Diese haben aktuell ihren Wert vollständig verloren, weil sie keinen zuverlässigen Denkraum mehr zwischen Wertkonservativ und progressivem Erneuerungswillen beschreiben können.

Wenn „Links“ nur noch sozialfreundliche Umverteilung und „Rechts“ deren scheinbares Gegenteil bedeutet, dann ist eine neue Aufklärung zu fordern, wenn diese denn überhaupt noch weiß, was sie mit sich selbst anfangen soll, so sie sich zwischen fröhliche Willkommenskultur und eine Verteidigung des geltenden Verfassungsrechtes gestellt sieht.

Die über Jahre nahezu fehlende Ökonomie-Debatte hat den linken Sprach und Denkraum preisgegeben.
In ihm tummeln sich freundliche Ökos, Veganer, Windkraftgegner, Radfahrer und „VertreterInnen“ einer „bunten“ Republik, deren Werterhalt sie dauerhaft aus dem Dienstleistungssektor zu substituieren trachten.

Auch die bislang als konservativ-katholisch geltende Klientel hat ihre Substanz offensichtlich eingebüßt.
Zumindest hat diese sich so weit sozialdemokratisiert, dass man sich verwundert die Augen reibt, während der große „Konsens der Demokraten“ allumfassend ins politische Koalitionsbett mündet.

Alle (oder fast alle) sind offensichtlich zufrieden. Bei so viel gegenseitiger Liebe ist Kritik ein schwieriges Geschäft geworden und beschränkt sich auf die vermeintlich rechtsverortete AfD, die NPD (sie ist kaum noch vorhanden) und die sog. Identitären. Die Kommunisten stehen eher nicht im Focus, wenn damit nicht Kim Jong Un gemeint sein soll, aber der steht ja auch nicht unmittelbar vor der Haustür.

Es gibt also durchaus das Problem, sich und andere politisch möglichst exakt zu positionieren, weil der eigene Standpunkt (falls vorhanden) an irgend etwas relativieren muss.

Nun ist man als geschichtliches Subjekt nicht frei von der erfahrenen Präformation einer nicht zuletzt auch politischen Welt, die immer ein bisschen anders war als heute.

Das schafft das Begriffsrefugium, in dem man sich gewohnheitsmäßig bewegte und das jetzt ins Wanken geraten ist.

Dessen Gültigkeit ist ab und zu zu hinterfragen, wohl wissend, dass Begriffe auch an Bedeutung verlieren oder gar Umdeutungen stattfinden. Sehr selten übrigens zu ihrem Besseren.

Dennoch kann ich mir für die Analyse eines linken Gesellschaftsbildes (und einer darauf abstellenden Kulturkritik) keine Betrachtungsweise vorstellen, die nicht wesentlich auch auf marxistischen Erkenntnissen fußt, ohne ihn (den Marxismus) in den Rang einer Staatsdoktrin erheben zu wollen, was ihm bekanntlich nicht bekommt.

Umgekehrt ist meine Vorstellung von „rechter“ Ideologie maßgeblich beeinflusst durch das Drama des Hitler-Faschismus und seinen Folgen, die sich in einem rassistischen, anti-kommunistischen, antidemokratischen und imperialistischen Weltbild spiegeln und manifestieren.

Treffen solche Kriterien nicht zu, dann rate ich zu äußerster Enthaltsamkeit und Vorsicht im Hinblick auf mögliche Zuweisungen!

Dies alles ist jedoch nur ein Aspekt aus dem Ensemble der möglichen Verwirrungen.

Mit den Begriffen von Staat, Gesellschaft und Kultur als in Bewegung befindlichen Größen, ist es nicht immer möglich, in geschlossenen Denkkategorien zu argumentieren, wenn wir es z.B. (wie im Falle des Faschismus) mit einem Kulturbruch zu tun haben.

Wohl aber kann Wesentliches, Unverwechselbares und Unveräußerliches erarbeitet werden, das zugleich den Rahmen des Nationalen beschreibt, begrenzt und dabei für kulturelle (und soziale) Deutung steht.
Die nationalen Kulturen sind deshalb nicht beliebig und nicht beliebig belastbar, wenn man darunter den Versuch versteht, sehr unterschiedliche und einem divergierenden Wertekanon verpflichtete Kulturen miteinander (etwa auf einem Staatsgebiet) zu verbinden bzw. zu vermischen.

Aus historischer Betrachtung führt das zu massiven Auseinandersetzungen bis hin zum Bürgerkrieg. (vergl. N. Acheson: Schwarzes Meer).

Für den Diskurs ist unerlässlich, zunächst und vorab den Kulturbegriff in seiner nationalen Gestalt verbindlich zu klären.

Davon hängt ganz unvermeidlich auch der Staatsbegriff ab, zu dessen nationaler Kultur neben der Sprache und der zentralen Ökonomie auch das gesamte Rechtswesen und das Soziale eben so gehören, wie eine in langer Tradition stehende nationale Kunst und das sog. Brauchtum.

Für Europa gelten wesentlich drei Säulen als kulturgebend:
[Redaktion: Manche nennen sogar fünf Säulen!]

  • Griechische Philosophie,
  • Römisches Recht und
  • das Christentum.

In Unterstellung einer mehr oder weniger beliebigen Kompatibilität (der Kulturen) bei ausreichend gutem Willen, bewegt man sich außerhalb jeglicher historisch begründbaren Relevanz.

Der hierzu anwendbare Terminus wäre der einer Kulturvergessenheit, eines Kulturrelativismus, der beobachtbar große „Fortschritte“ gemacht hat.

Wenn ich in der Annahme nicht fehl gehe, dass der Zustand der herrschenden Ökonomie für die Linke offensichtlich ein Randthema geworden ist, während dessen weiter offene Grenzen für mehrheitlich muslimische Einwanderer gefordert werden, dann kann das zugleich nicht heißen, dass diese Form der Massenmigration „links“ zu verorten wäre, weil dahinter günstigstenfalles um eine Form von Gesinnungsethik steht, welche Rechtsbruch sanktioniert. Damit können allerdings auch Konservative „gesegnet“ sein.

In Ländern, die mit einer post-revolutionären Situation konfrontiert sind, können nicht die ja vornehmlich jungen Männer auswandern, um in Europa Frührente zu beziehen, denn Arbeit werden wir für sie nicht haben.

Sie sind es, die ihre Länder in Ordnung bringen müssen und dabei kann und soll man ihnen helfen.
Das wäre z.B. eine linke und (auch) marxistisch begründbare Position!

Dennoch wäre es gut, wenn man die dringend anstehende Debatte langfristig und damit nicht (unvermeidlich) konfrontativ anlegt und den Versuch macht, sich zumindest auf einen begrifflichen Kodex (Wertekanon) zu einigen.

Sonst kann niemand mehr wissen, was mit welchem Begriff gemeint ist.
Es ist uns lange nicht (mehr) bewusst gewesen, dass wir über Jahre in einer nahezu oppositionsfreien Zone gelebt haben, deren Reste gegen fast jeden Widerspruch mobilisieren.

Das globalistisch vereinheitlichende Ziel einer solchen Gesellschaft, ist der umfänglich verwaltete und fremd bestimmte Mensch, dessen Reflexe auf verlässlichen Konsum trainiert und geschaltet werden (siehe hier auch die KI-Debatte).

Der Vorgang insgesamt ist schon wegen der Geschwindigkeit mit der er sich vollzieht revolutionär zu nennen, jedoch nicht im emanzipatorisch ursprünglichen Sinne der Wortbedeutung, sondern exakt in sein Gegenteil verkehrt.

Mit dem Verweis auf die Digitalisierung wird ein neues Fass aufgemacht und viele sitzen drum herum, haben das noch volle Glas in der Hand und schweigen, weil sie wissen, dass ihr Protest unter das Verdikt der Fortschrittsfeindlichkeit gestellt würde.

Die aufgeregte (und fortwährend beschleunigte) politische und gesellschaftliche Kurzatmigkeit, verhindert weitestgehend das Lesen, was wiederum nicht bedeutet, dass es für Linke keine interessante Literatur gäbe.
Wenn dann die Frankfurter Sonntagszeitung den Kulturwissenschaftler Prof. Rolf Peter Sieferle zum „Rechten“ mutieren lässt, weil ihr gut bezahlter Schreiberling nicht lesen kann oder einfach nur dumm und bösartig ist, dann ist das ein Teil des Dilemmas, in das uns Fr. Merkel schuldhaft gebracht hat, eifrig skandiert von einer sog. Linken, deren Blick so getrübt ist, dass sie sich am traditionellen Rechtsradikalismus abarbeitet, während sie zugleich den muslimischen Antisemitismus hofieren und nicht erkennen wollen, dass in diesem Lande nichts so dicht an „rechter“ Gesinnung ist wie der politische Islam, denn für ihn gilt das Führerprinzip (der Prophet), ideologische Gefolgstreue bis in den Tod, ein strategisches Sendungsbewusstsein und das Hinarbeiten auf einen Endsieg (siehe Sure 110).

Da wir die Dame (Merkel) wohl nur langsam los werden, weil die Mehrzahl der Mitbürger meine Meinung nicht teilt, bleiben den Demokraten in diesem Lande anlässlich der nächsten Bundestagswahlen nur wenige (andere) Möglichkeiten, wobei sie sich in nicht unbeträchtlicher Zahl in Enthaltsamkeit üben werden.
Die Frage ist nicht uninteressant, ob ein solches Verhalten als politische Aussage und (bewusste) Abstinenz grundsätzlich und immer kritisiert werden kann?

Die zentrale Problemlage ist, ob und wie sich (dringend notwendige) Reformen im Rahmen der vorfindlichen komplexen Strukturen einer westlichen Medien-Gesellschaft im Rahmen einer Parteiendemokratie realisieren lassen oder ob wir es längst mit einer Situation zu tun haben, in welcher die Demokratie nur noch dem Anschein nach (formal) existiert.

Vielleicht übersehe ich ja einiges; aber man kann mit einigem guten Willen der Krise auch etwas Positives abgewinnen, wenn man den Gedanken zulässt, dass wir ihr zumindest einen tiefen Einblick in die vorfindlichen Formen des politischen Bewusstseins verdanken. Das hatten wir doch erinnerlicherweise schon mal wesentlich optimistischer gesehen. Oder irre ich mich da?