Frau - Satire - Glosse - Faktum Magazin

Satire:
„Hallo Frau Ministerpräsidentin Dreyer,

von I. St. Montag, 26. März 2018

normalerweise stelle ich der Kanzlerin blonde Fragen, aber heute habe ich mal eine Frage an Sie:

Kann ich eine Stunde Nachhilfe bei Ihnen nehmen, in punkto Demokratie?

Am vergangenen Samstag habe ich mich in die bunte „lebenswerte“ Kleinstadt Kandel begeben. Wollte an IHRER Kundgebung teilnehmen, IHRE Rede hören, mir Tipps ins Sachen Demokratie holen, hätte Sie danach gerne zu einer Tasse Kaffee eingeladen. Es gibt so Vieles, was ich mit Ihnen besprochen hätte. Zum Beispiel, wie man am besten nach Kandel kommt. Also, mit Bus, Bahn oder ob man doch lieber mit dem Auto fährt.

Ein Facebook-Freund von mir fährt gern Zug, kam also von Mainz mit der Deutschen Bundesbahn. Er hat es nur bis kurz vor Kandel geschafft, REIN ZUFÄLLIG konnte der Zug nicht weiterfahren. Ich las später:

„Das harte Eingreifen der Polizei hatte sich schon zu Beginn der Proteste angekündigt, als mehrere hundert Antifas, die im Kandler Bahnhof die Bahnsteige besetzt hatten, von Bundespolizei und BFE angegriffen wurden. Durch die Blockade war eine störungsfreie Anreise der Rechten unmittelbar vor deren Marschbeginn nicht möglich. Ein brennender Kabelschacht auf der Zugstrecke nach Kandel sorgte zusätzlich für eine längere Sperrung der Strecke, was effektiv die Anreise einiger Rechter verhinderte“. (SB)

Den Polizisten sollten Sie mal auf die Finger klopfen! Geht gar nicht, dass die hart eingreifen, wenn Anschi’s Fa die Bewohner von Kandel vor RECHTEN schützen wollen.

Ich hatte so etwas schon im Vorfeld befürchtet, bin deshalb im Auto nach Kandel gefahren. Wo aber parkt man, wenn man Angst hat, dass vielleicht nur noch ein Schrotthaufen oder ein ausgebranntes Teil auf einen wartet? Sie haben bestimmt eine schicke Karosse, ich kann mir vorstellen, dass jeder Kratzer teuer wird, egal ob er von RECHTS oder LINKS kommt! Vielleicht kamen Sie aber auch in einem der Busse, die zu Ihrer Veranstaltung unterwegs waren.

Auf dem Weg zu Ihnen bin ich – REIN ZUFÄLLIG – in den

„Aufmarsch rechtspopulistischer, rechtsextremer Gruppen und Parteien“

geraten. Kann passieren, denn die hatten sich als normale Bürger verkleidet, sind seriös rübergekommen und die Polizisten in ihrem Umfeld trugen keine Schutzhelme. Ich dachte also, dass ich auf der richtigen Demo sei! Sie haben zwar behauptet, dass die Veranstaltung nichts mit Parteien zu tun hätte, ABER man konnte das „braune Süppchen“, (wie Sie immer so schön sagen) regelrecht riechen! Hatten DEUTSCHLANDFLAGGEN (!) dabei!

Schrecklich, tun in den Augen weh, erinnern an Deutschlands schlimmste Zeiten. Das hätte mir bei Ihnen nicht passieren können, da bin ich mir sicher!!! (Hab später gesehen, dass Sie sich auf weiße Luftballons beschränkt haben, sehr neutral!). Die RECHTEN um mich herum hatten dann auch noch Plakate, auf denen Sachen standen wie: „Wir fordern Schutz und Sicherheit“ oder „Schutz für uns und unsere Kinder“ und „I HAVE A DREAM, dass ich eines Tages ohne massiven Polizeischutz meine Meinung sagen kann!“, ach, sie kennen ja all diese demokratiefeindlichen, rechten Parolen!!! Ich habe mich sichtlich unwohl gefühlt!

Es war ja schon im Vorfeld zu lesen, dass diese RECHTEN „Ängste und Verunsicherungen schüren“, dass sie „Feindbilder heraufbeschwören“ und die „Institutionen unserer Demokratie in Frage stellen“ würden. Und dass die „hetzen“. Auf der anderen Seite – also in den Seitenstraßen wurden friedliche Mitglieder von Anschi’s Fa von behelmten Polizisten mit Böllern und Flaschen beworfen oder umgekehrt, ich konnte das nicht SO genau sehen!

Von der Kundgebung NACH dem „Aufmarsch“ konnte man nicht viel hören, REIN ZUFÄLLIG läuteten die Glocken der Kirche laut und lange. Da hat wohl der liebe Gott „DA OBEN“ eingegriffen oder einer seiner irdischen Helfershelferl!!! So bin ich leider zu spät zu IHRER Kundgebung gekommen und mit dem Kaffeekränzchen wurde es auch nichts.

Ich musste mir also Ihre Rede auf YouTube ansehen.

Habe dann gehört, dass die „Rechtsextremisten und Rechtspopulisten“ NICHTS zu suchen hätten in Kandel, und in Ihrem Bundesland! SIE seien offen und tolerant und Ihre Kundgebung sei die richtige Antwort auf „Spalter und Hetzer“! RICHTIG SO, mit solchen Sätzen fördern Sie den „Zusammenhalt aus der Mitte der Gesellschaft heraus“! Nur mit solchen Worten kriegt man die RECHTEN klein!!! Dann: „Demokratie, die lebendig sein will, braucht Demokraten, die den Mund aufmachen!“. BRAVO, BRAVO, ach hätte ich doch nur vor Ihrer Bühne stehen können, der wahren Demokratin, offen für jeden und jedes Wort, edel, gut und vor allem KEINE HETZE!

Sie bedankten sich dann noch, dass das Bündnis „Wir sind Kandel“ so groß geworden ist. Stimmt, hatte ich bei dem Aufmarsch auch gesehen, in JEDEM Geschäft hingen die Plakate des Bündnisses, solch eine Einigkeit hat es in den 70 Jahren der Bundesrepublik noch nicht gegeben. Bisher hatten die Menschen immer mal unterschiedliche Ansichten, aber die Politik der Kanzlerin, IHRE Politik Frau Ministerpräsidentin und die des Bürgermeisters von Kandel eint die ganze Stadt.

Noch nie war Demokratie so sichtbar,

noch nie hat Demokratie so geeint (hätte ich fast vergessen, in der Deutschen DEMOKRATISCHEN Republik, da war es ähnlich, aber die war ja auch DEMOKRATISCH!)!!! Also ALLE, ALLE arbeiten mit, ziehen am gleichen Strang, Unternehmerverbände, Kirchen, Gewerkschaften, jüdische Gemeinde, SPD, CDU, FDP, Die Linke und natürlich die Grünen! Kandel – die heile Welt – steht für ein weltoffenes, gewaltfreies und liberales Miteinander.

Ihre gendergerechte Sprache, Frau Ministerpräsidentin, zum Beispiel „Kandler und Kandlerinnen“, die muss ich mir noch aneignen, damit erobert man Zuhörer und Wähler! Das überzeugt genauso wie Ihre Aussage, dass die vielen Menschen mit unterschiedlicher Religion und Weltanschauung hier FRIEDLICH und TOLERANT miteinander leben – also von Freiburg, über Kandel, Burgwedel und Hannover bis hin nach Flensburg!!! Und Sie wünschen sich, dass das genauso bleibt. Was gibt es da noch zu sagen?

Der Handel in Kandel liege platt, die Leute hätten keine Lust mehr dort einzukaufen, weil die Rechten dort aufmarschieren, sagen Sie Frau Dreyer. An den Plakaten in den Fenstern wird es kaum liegen, die fordern zu Toleranz auf, müssten also die vielen Gleichgesinnten in die Läden locken. Es muss also an den „Rassisten“ liegen, die – Tag für Tag – in die Geschäfte und Drogeriemärkte strömen und die Kandler und Kandlerinnen in Angst und Schrecken versetzen.

Ihre Demo sei keine Gegen-Demo, sondern eine „Für-Demo“, für DEMOKRATIE, für RESPEKT
(„verdammt noch mal, das muss man den RECHTEN einmal sagen!“, sagten Sie.).

Wobei Ausnahmen bestätigen die Regel, ich hab da bei dem „Aufmarsch“ auch ein paar ganz nette, respektvolle RECHTE getroffen, aber DAS müssen die Ausnahmen gewesen sein, bei denen kann man vielleicht noch ein paar Wählerstimmen zurückgewinnen!

Jetzt ist mein Brief an Sie länger geworden als jeder Brief an die Kanzlerin. Woran lag das jetzt? Es muss Ihre bewegende Rede gewesen sein, die mich so aufgewühlt hat. Ihr Satz: „Jeder muss für sich verantworten, mit wem er rummarschiert in einer Stadt“, hat mich tief betroffen gemacht. Ich war ja auch dabei, also bei den RECHTEN, den Rechtspopulisten, den “Nazis” – na gut, nur versehentlich, aber ich fühle mich schlecht, als wenn ich ein braunes Süppchen gekocht und gehetzt hätte.

Ich bekomme diese Bilder nicht mehr aus dem Kopf, ICH zwischen DEUTSCHLANDFLAGGEN. Dann habe ich die Fotos Ihrer „Für-Demo“ gesehen, DAS hätte mir bei Ihnen Frau Ministerpräsidentin, der wahren Demokratin – nicht passieren können!“

Das Original ist zunächst hier bei Facebook erschienen.

Anmerkung der Redaktion:

An einer Stelle müsste es „Zuhörerinnen und Zuhörer und Wählerinnen und Wähler“ anstatt „Zuhörer und Wähler“ heißen. Wir verzeihen der Autorin, weil sie erst jetzt gewillt ist, sich eine genderzurechtmodifizierte Sprache anzueignen. Auf der nächsten Demo wird alles besser!