Michael Mansion - Kolumne: Mansion merkt an

Mansion merkt an

 

Die Sache mit den Sanktionen

von Michael Mansion

 

Teile der Bundesregierung denken (laut) darüber nach, sich möglichst komplett von den Energielieferungen aus Russland zu verabschieden.

Solche Gedankenspiele sind nicht verboten und können unterschiedlich begründet werden. Im vorliegenden Falle werden sie mit einem Krieg begründet, den Russland in einem Nachbarland führt, welches vor 1990 zum sowjetischen Einflussgebiet gehörte.

Seit den frühen 2000er Jahren hat der Westen versucht, dieses Land in seinen ökonomischen und militärisch-strategischen Bereich zu überführen, was aus geostrategischer Sicht verständlich ist, dabei jedoch den geostrategischen Interessen einer anderen Großmacht nicht entsprechen muss.

Die jetzt entstandenen Folgen waren in ihrer Konsequenz vielleicht nicht umfänglich absehbar, aber ihre nicht mehr zu übersehende Relevanz zwingt den Westen zu Reaktionen.

Die dabei auftretenden Fragen haben eine gewisse Ähnlichkeit mit einer militärischen Strategie, die dann klug zu nennen ist, wenn die getroffenen Entscheidungen die eigene Stärke (oder Schwäche) in ein Verhältnis zur gegnerischen Stärke (oder Schwäche) zu setzen imstande sind. Nur die sich daraus ergebenden Einsichten führen zu einer realistischen Einschätzung der Möglichkeiten.

Immerhin scheint es in den Reihen der amtierenden Bundesregierung die Einsicht zu geben, sich am Ukraine-Konflikt nicht direkt militärisch, sondern nur indirekt zu beteiligen.

Indirekt-militärische Ebene und die Abhängigkeit von Rohstoffen

Auf der indirekt-militärischen Ebene (bisher) mit Luftabwehr-Restbeständen aus der ehemaligen DDR und diverser Schutzkleidung, direkt jedoch mit unterschiedlichen Formen einer Embargo-Politik auf der Ebene blockierter Finanztransfers, sowie gravierenden Einschränkungen im Warenverkehr.

Das ist ein alter und oft gepflegter Brauch, über dessen nachhaltige Wirkung von Fall zu Fall zu streiten wäre, zumal auch hier der Grundsatz gelten sollte, die Frage nach dem größeren Schaden zu stellen.

Die gerade sehr gerne geübte Vollmundigkeit einiger Vertreter der politischen Klasse, wonach sich Deutschland seine Energielieferanten beliebig aussuchen kann, ist ganz offensichtlich einem geographischen Bildungsmangel geschuldet.

Die daran geknüpfte und wie nicht anders zu erwartende moralische Hype, scheint zu vergessen, dass wir nicht nur im Hinblick auf die Versorgung mit Öl und Gas in hohem Maße abhängig sind, sondern auch bezüglich von ca. 90{18423f3510016d69a38748c31b9d3c63e55e56caeb597c341a8ea176480d5299} aller Rohstoffe, die wir für die Herstellung hochwertiger Industrieprodukte benötigen.

Bei genauerer Betrachtung dieser Lieferanten, müssten moralische Bedenken längst zu einem umfassenden Boykottaufruf geführt haben. Dabei sind Abhängigkeiten ein ganz grundsätzliches Problem der kleineren Nationalstaaten zumal dann, wenn diese ihren Wohlstand primär aus industrieller Fertigung generieren.

Hilfreich bei solcherlei Überlegungen ist stets auch die Erinnerung der zumindest etwas älteren unter uns an die „Glacis-Bereinigungen“ der westlichen Zentral- und Ordnungsmacht.

Wie war das eigentlich noch mit dem Vietnam-Krieg, mit Grenada, mit Angola, mit Chile oder mit Nicaragua und wer hat uns eigentlich das verquere Nahost-Desaster beschert?

Ich wüsste nicht, dass hier an eine umfängliche Bestrafung von Uncle Sam gedacht war. Kräftig denunziert wurden aber allemal die Kritiker des offiziellen westlichen Friedens- und Demokratisierungskurses.

Krieg in Europa

Nein,- wir hatten wohl mehrheitlich nicht an einen Krieg in Europa gedacht. Er wäre mit großer Sicherheit auch vermeidbar gewesen, wenn es so etwas wie ein gebildetes diplomatisches Personal gäbe und dies möglichst auf beiden Seiten der Linien.

Wissen sollte man hierbei, dass kluge Diplomatie nicht erst bei unmittelbarer Eskalationsgefahr beginnt, sondern sehr viel früher an einem Punkt, der die geäußerten Sicherheitsbedenken der anderen Seite ernst nimmt und zu referieren bereit ist. So etwas muss man wollen. Im anderen Falle muss man sich sagen lassen, dass man einer Eskalation (wissentlich) Vorschub geleistet hat. Das gerade erlebbar gewordene Szenario pendelt zwischen sehr unbedachten „Bestrafungsszenarien“ eines Gegners, der im vorliegenden Falle nicht unser Gegner ist und einem medial angeheizten Russenhass, den wir überwunden glaubten. Sowas reicht dann schon mal zur Entlassung eines Dirigenten, zum Ausschluss von Sportlern und zur Absetzung von Veranstaltungen mit russischer Beteiligung. Wer mit Russen gemeinsame Sache macht, ist uns ein Dorn im Auge, aber was machen wir jetzt mit Chinas Russenallianzen, ist China doch in den letzten Jahren zu einer Art ausgelagerter deutscher Werkbank geworden? Spätestens hier verlieren die moralischen Klimmzüge ihre Kraft, weil es wie beim richtigen Klimmzug einer ziemlich überzeugenden Kraft bedarf, um anhaltend Stärke demonstrieren zu können.

Die absehbar langfristige Schädlichkeit dieser Politik einer Anti-Diplomatie wird, je länger sie dauert, um so verheerender ausfallen.

Eine Solidarität mit den vom Krieg betroffenen Menschen in der Ukraine ist geboten. Eine Solidarität mit ihrem amtierenden Marionetten-Regime, welches bestrebt ist, den Westen in einen Krieg mit Russland zu treiben, eher nicht.

Mit Selenski als Strohmann einer längerfristigen NATO-Strategie, ist der Westen nach der Übernahme von 14 neuen NATO-Mitglieder in den letzten zwanzig Jahren zu weit gegangen und scheitert jetzt an einem Krieg, den er zweifellos nicht gewollt hat, jedoch auch nicht gewinnen kann.

Der Flurschaden ist erheblich und (noch) nicht umfänglich absehbar.

Russland wird die Ukraine vereinnahmen, was eine Warnung sein sollte. Dies vor allem vor dem geostrategischen Hintergrund neuer Allianzen, die sich schon länger angebahnt haben, im Westen jedoch weitgehend ignoriert wurden, weil man umfänglich mit sich selbst beschäftigt war und ist.

 

Michael Mansion