Komm, wir gründen einen neuen Staat.
Die Rolle der europäischen Bürger in der EU
von Prof. Dr. Ulrike Guérot
Einige Anmerkungen von Michael Mansion
zu einer Veröffentlichung der Friedrich-Ebert Stiftung

Es gibt in diesem Guérot-Text eine durchgängige Tendenz, die darauf hinausläuft, nationale Entscheidungen der EU-Partnerländer als grundsätzlich integrationsfeindlich darzustellen, wenn in ihnen nationale Interessen zutage treten oder vermutet werden.
Dies vor dem Hintergrund der Vision der Autorin, dass die EU „Ein Staat“ werden müsse.

Das ist nicht neu und gründet auf der nebulösen Vorstellung einer „Transnationalen Demokratie“ mit Gewaltenteilung, welche den bisherigen, national verfassten Verfassungsstaat ablösen soll.

Bundesfinanzminister Scholz forderte eine Fiskal- also Schuldenunion und die Autorin verweist auf eine notwendige Steuerhoheit für und durch die EU, welche ihre Souveränität garantieren soll. Die hierbei zugleich erwähnte „parlamentarische Kontrolle“ ist wohl als Placebo gedacht, denn was bitteschön sollte denn dann noch parlamentarisch kontrolliert werden, wenn die Mitgliedsstaaten die Steuerhoheit verlieren und nach Brüssel abtreten?

Die Souveränität für Brüssel soll doch den Souverän ersetzen! Oder???

Fr. Guérot kritisiert, dass der EuGH durch die nationalen Verfassungsgerichte ständig als Paralleljustiz herausgefordert werde.

Nationalstaatlichkeit in der EU

Der Begriff Herausforderung ist in diesem Zusammenhang interessant, denn diese besteht ja nicht darin, dass der EuGH in seiner unermesslichen Weisheit die nationalen Verfassungsgerichte ständig korrigieren müsste. Sie besteht schlicht und einfach darin, dass er nationales Recht brechen will und dies auch ständig versucht.

Weil alle Mitglieder in den EU-Topf einzahlen, könne und solle der Euro im Grunde nur einmal verbucht werden, aber dies geschehe durch die noch bestehende Nationalstaatlichkeit eigentlich zweimal.

Das Ziel ist also offensichtlich nicht nur die Steuerhoheit, sondern die gesamte Finanzhoheit der Länder komplett in Frage zu stellen.

Der Euro soll nur einmal verbucht werden und zwar in Brüssel.

Dass ein Staat ohne Finanzhoheit keiner sein kann und auch nicht mehr sein soll, ist die logische Grundlage für diese Bemühungen.

Währungsunion als Fiskalunion

Die Währungsunion könne nur als Fiskalunion gelingen. Der Artikel 125 (No-Bail-Out-Klausel) sei ein Irrläufer des EU-Vertrages, hinter dem man sich rechtspopulistisch verstecke.

Natürlich, denn wer sich einer Schuldenunion entgegenstellt, ist kein anständiger Europäer, sondern ein unverbesserlicher Nationalist und Rechter.

Deutschland hatte 1993 auf dieser Klausel bestanden, um der Währungsunion beizutreten, weil die Notenbanker und einige Ökonomen berechtigte Zweifel an der ökonomischen Leistungsfähigkeit einiger Partner äußerten.

Vor allem Deutschland wehre sich, seine dominante Rolle im Binnenmarkt aufzugeben, ohne die dadurch erzielten Gewinne gesamteuropäisch umzuverteilen.

An dieser dominanten Rolle ist etwas dran und sie führte dank guter Technik und Dumpinglöhnen bekanntlich zu exportweltmeisterlichen Ehren.

Ob nun aber ein Staatsvolk unbedingt bereit sein muss, seinen vielleicht unfair, jedoch in jedem Falle schwer erarbeiteten Reichtum freundlich in Europa zu verteilen, ist eine bange Frage. Man müsste vielleicht mal darüber abstimmen lassen. Nur mal so als Vorschlag!

Nicht legitimiert – daher keine Rechenschaft?

Die unehrlich geführten Debatten der politischen Eliten in Deutschland müssten beendet werden, verrät uns Fr. Guérot. Wen meint sie denn da?

Na ja,—wir suchen inzwischen so lange mal nach den ehrlichen Debatten.
Eine ständige Gläubiger/Schuldner-Debatte blockiere den Rat, heißt es weiter.

Ja was für ein Elend aber auch, wussten wir doch immer schon, dass großzügige, freundliche oder etwas bedepperte Gläubiger sehr angenehm sein können. Sie sind halt leider selten.

Dann aber kommt Fr. Guérot zu einer unglaublichen Erkenntnis, denn die EU hänge nun mal von ihren Mitgliedsstaaten ab und sie sei als politisches System (aber welches System denn?) nicht direkt und unmittelbar von den Bürgern legitimiert und ihnen deshalb auch keine Rechenschaft schuldig.

Ja, an was erinnert uns das denn?
An reinrassigen Absolutismus würde ich mal sagen!

Die Bürger könnten so ja auch nicht den Rat oder die Kommission abwählen. Nein, natürlich nicht, aber das war doch auch ernsthaft nicht geplant. Oder???

Die professorale Dame kommt dann zu dem ganz entscheidenden Punkt, dass es die europäischen Bürger auch nicht geben könne, weil es ja auch keinen europäischen Staat gebe.

Also jetzt mal zum Mitschreiben für die Historiker:

Man gründet einen Großstaat, indem man eine ganze Hammelherde verschiedener Völker zusammentreibt, ihnen ihre individuellen Flausen und Landessprachen austreibt, sie auf (leidliches) Englisch einstimmt und (in diesem Falle wie geplant) eine europäische „Bürgerkarte“ in die Hand drückt, um sie vom Nationaljoch zu erlösen.

Für diese Ärmsten sei es bislang nämlich so gewesen, dass für sie wegen dem unterschiedlichen nationalen Recht der Gleichheitsgrundsatz nicht gegolten habe. Also entweder konnten nicht alle Audi oder Daimler fahren oder sie waren ungleich vor dem Gesetz. Das wäre mal zu klären, aber das hat Fr. Guérot irgendwie offen gelassen.

Fazit:

Erinnerlicherweise (für Alte und Historiker) führte Hitlers Ermächtigungsgesetz einmal zu dessen recht umfänglicher Ermächtigung zunächst in Deutschland und später dann auch in den eroberten Staaten, wenngleich (wg. Größenwahn) nicht sehr lange.

Die Brüsseler EU hat sich dagegen einer friedlich anmutenden Eroberungsstrategie verschrieben, aber die Fülle ihrer angemaßten Ermächtigungen hat nachgerade den Charakter eines Staatsstreiches angenommen, indem den Mitgliedsstaaten die Steuer und Finanzhoheit entzogen werden soll.

Diese Strategie ist (vom Demos) in keiner Weise legitimiert und zielt auf den Bruch eines verfassungslegitimen Rechtsanspruches des Souverän.

Es handelt sich hier um einen pseudo-intellektuell und moralisierend verbrämten Angriff auf die Substanz des Rechtsstaates, dem ganz entschieden begegnet werden muss.

 

Auszug aus dem Wikipedia-Hinweis

Prof. Dr. Ulrike Guérot ist promovierte Politikwissenschaftlerin mit einer Arbeit über die europ. Programmatik der franz. Sozialisten.

  • Von 1995- 1996 war sie Direktorin für Kommunikation und Association for the Monetary Union of Europe (AMUE/AUME).
  • Von 1996-1998 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin b. ehem. Präsidenten der Europ. Kommission Jaques Delors b.d. Organisation „Notre Europe“ in Paris.
  • Von 2000-2003 leitete sie die „Programmgruppe Europa“ b.d. Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik in Berlin.
  • Im März 2014 gründete sie das „European Democracy Lab“ (EuDemLab) an der European School of Gouvernance EUSG).
  • Seit April 2016 ist sie Professorin und Leiterin des „Departments für Europa-Politik und Demokratieforschung (DED).
  • 2017/18 erhielt sie eine Gastprofessur an .der Goethe-Universität in Frankfurt