Beate Zschäpe - Faktum Magazin

Medienspiegel:
Das Urteil im NSU-Prozess
gegen Beate Zschäpe

Beate Zschäpe wurde wegen zehnfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Oberlandesgericht München hat sie als Mittäterin an den Morden des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) zur Höchststrafe verurteilt. Außerdem wurde eine besondere Schwere der Schuld festgestellt, was eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren nahezu unmöglich macht.

[UPDATE]

Interview zur Bedeutung des Urteils für Beate Zschäpe

Spiegel: Urteil gegen Zschäpe
Das kann sehr viele Lebensjahre ausmachen

Lebenslange Freiheitsstrafe mit der besonderen Schwere der Schuld: Was heißt das Urteil für die Haftdauer von Beate Zschäpe? (…)

SPIEGEL ONLINE: Beate Zschäpe wurde vom Münchner Oberlandesgericht zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Senat hat zudem die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Wird die 43-Jährige also für immer weggesperrt sein?

Scharmer: Nein, wird sie nicht, aber für eine ganze Weile, jedenfalls dann, wenn das Urteil so rechtskräftig wird. Wäre sie allein zu lebenslanger Haft verurteilt worden, könnte sie nach frühestens 15 Jahren auf Bewährung freikommen. Da ihre knapp siebenjährige Untersuchungshaft angerechnet wird, wäre das frühestens 2026 gewesen. Bei der besonderen Schwere der Schuld gibt es die erste Bewährungschance in der Regel erst wesentlich später.

SPIEGEL ONLINE: Wann denn?

Scharmer: Bei Zschäpe wird frühestens nach 13 Jahren Haft ein Verfahren zur Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer eingeleitet werden: Das OLG München entscheidet dann, wie lange sie mindestens in Haft bleiben muss, bis sie überhaupt einen ersten Antrag stellen kann, auf Bewährung entlassen zu werden. Bei einem Mord mit mehreren sogenannten Mordmerkmalen können das 20 Jahre, bei zehn Morden wie in Zschäpes Fall auch mal 30 Jahre sein. (…)

Zuerst zur linksextremen taz:

taz: Über die Angst trotz Urteil im NSU-Prozess
– Es hört nicht auf

(…) So wird der fünf Jahre lange Prozess gegen die einzige Überlebende des Tätertrios, Beate Zschäpe, und einige Mitglieder ihres Helfernetzwerks wohl als wichtigster Strafprozess der Nachkriegszeit gegen Rechtsterrorismus in die Geschichte eingehen.

Ja, die Dimension der NSU-Morde ist eine andere, als die des Anschlags in Solingen vor 25 Jahren. Doch ein entscheidendes Merkmal verbindet die beiden Fälle: ihr Motiv. Und allein das ist Grund genug, an der gesamtgesellschaftlichen Aufarbeitung dieses Falls zu zweifeln.

Man benennt die Opfer aber namentlich, was bei den Opfern des Anschlages auf den Weihnachtsmarkt in Berlin zumeist verhindert wurde:

Die Menschen, die allesamt vom NSU durch Kopfschüsse mit ein und derselben Waffe in den Jahren 2000 bis 2006 hingerichtet wurden, hießen Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat. (Michèle Kiesewetter wurde 2007 mit einer anderen Waffe getötet.) (…)

Man heult über einen Rassismus, ohne zu merken, dass man selbst rassistisch bis zum Anschlag ist:

(…) Institutioneller Rassismus ist ein schweres Wort, es klingt so abstrakt und hochgestochen. Aber es beschreibt sehr präzise die Lebensrealität von vielen Menschen in diesem Land: Wir leben in einem Staat, der uns systematisch benachteiligt, verdächtigt und uns nicht denselben Schutz bietet, wie weißen Mitbürger*innen mit deutschem Namen. (…)

Wie beginnt der Artikel, der so gut wie nichts mit dem Urteil von München zu tun hat?

Das Urteil ist verkündet: Beate Zschäpe hat „lebenslang“ bekommen. Migrant*innen in Deutschland werden sich aber nicht sicher fühlen.

Richtig, deswegen hat Deutschland auch kein Flüchtlingsproblem. Sämtliche Migranten meiden Deutschland wegen der Nazigefahr wie die Pest. Oder habe ich da etwas falsch mitbekommen? Vielleicht meint der Autor ja auch nur transsexuelle Migranten (wegen des *). Um diese zu fragen, müsste man erst einmal welche finden.

Weiter in der taz.

taz: Urteile im NSU-Prozess
Es ist geschafft

Auch in diesem Artikel geht es nicht um Gerechtigkeit oder ein ausgewogenes juristisches System: Es geht um Emotion, es geht um Subjektivität. Bei einem Urteil sollte es allerdings so objektiv wie möglich zugehen. Empathie hat da nicht viel verloren, Gerechtigkeit hat keine Emotionen.

(…) Gamze Kubaşık blickt auf Manfred Götzl, als der Vorsitzende Richter um 9.55 Uhr im Saal A101 die entscheidenden Worte spricht, die erlösenden. Die Angeklagte Bea­te Zschä­pe erhalte „eine lebenslange Haftstrafe, und die Schuld wiegt besonders schwer“. Ganz still ist es da im Saal. Gamze Kubaşık sieht, wie Zschäpe versteinert dreinblickt. Sie selbst presst die Lippen zusammen, wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Es ist geschafft. (…)

Ein bisschen Information zwischen zerfetzten Schlagadern und Blut versteckt man dennoch:

(…) Mehr als 600 Zeugen wurden in den fünf Jahren befragt, 130.000 Seiten Ermittlungsakten bereitgestellt. Nachbarn der Untergetauchten wurden angehört, ihre Eltern, Urlaubsbekannte, Neonazis, Verfassungsschützer, Ermittler. Jeder Mord, jeder Anschlag, jeder Überfall wurde ausgeleuchtet, schmerzend bis ins Detail. Richter Manfred Götzl tut es nun erneut. Er schildert, wie sich Kugeln in die Gesichter der Opfer bohrten, Schlagadern zerfetzten, wann die Opfer an ihrem Blut erstickten. (…)

Man hat das Justizsystem allerdings auch nicht verstanden. Zumindest hat man keinerlei Ahnung von Gewaltenteilung. Ein Grundelement der Demokratie.

(…) Gamze Kubaşık verfolgt die Szene fassungslos. „Schrecklich“ sei es, dass einer der wichtigsten Unterstützer „mit einem blauen Auge davonkomme“, sagt sie später vor dem Gericht. „Das Gericht hätte hier vielmehr ermitteln müssen.“ Auch vor dem Gericht kommt es zu Tumulten, als sich die Kunde von der Freilassung André E.s herumspricht. Eine Rednerin spricht von einem „Fanal“. (…)

Eben nicht. Das Gericht hat nicht zu ermitteln. Es hat zu bewerten und Recht zu sprechen. Das Gericht ist keine Ermittlungsbehörde. Das stört den taz-Journalimsus aber natürlich nicht weiter.

Einen hat die taz aber noch:

taz: Reaktionen auf Urteil im NSU-Prozess
Die Aufklärung darf nicht enden

Nach „Es hört nicht auf“ und „Es ist geschafft“, darf es nun also nicht enden.

Es geht ausnahmsweise auch erneut um institutioneller Rassismus. Das ist erstaunlich für eine Zeitung, die eine Kolumne „Kolumne Dumme weiße Männer“ führt.

(…) Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte anlässlich des Urteils eine Untersuchung, inwieweit institutioneller Rassismus in den Behörden eine bessere Aufklärung verhindert habe. (…)

Spiegel: DAS THEMA DES TAGES
Lebenslang: Das Urteil gegen Beate Zschäpe im NSU-Prozess

Verurteilt wegen zehnfachen Mordes, lebenslange Haft: Beate Zschäpe ist heute am Oberlandesgericht München als Mittäterin an den Morden und Gewalttaten des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) zur Höchststrafe verurteilt worden. Das Gericht stellte zudem die besondere Schwere der Schuld fest – was eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren rechtlich zwar möglich, in der Praxis aber so gut wie ausgeschlossen macht. (…)

[Diverse weitere Links]

Um einen Dokumentarfilm zum Prozess geht es ebenfalls beim

Spiegel: Doku über Zschäpe-Anwälte Heer, Stahl, Sturm
Wir haben es zu Ende gebracht

Sie wurden angefeindet, bedroht, gedemütigt – und doch gaben die Anwälte Heer, Stahl und Sturm ihr Bestes. Eine TV-Doku zeigt, wie der NSU-Prozess die Verteidiger von Beate Zschäpe an ihre Grenzen brachte. (…)

Die Dokumentarfilmerin Eva Müller hat die Anwälte für den Westdeutschen Rundfunk (WDR) über fünf Jahre mit der Kamera begleitet: „Heer, Stahl, Sturm. Wer Nazis verteidigt“ heißt ihre 90-minütige Dokumentation, die am Mittwochabend ausgestrahlt wird (22.35 Uhr, ARD). Der Film beschreibt auf eindrückliche Art und Weise die Achterbahn, auf die sich die Verteidiger eingelassen haben – und die Spuren, die die Fahrt bei ihnen hinterlassen hat. (…)

Den Film wird es wohl noch in der Mediathek geben.

Es gibt ein Video zum Urteil bei SPON:

NSU-Prozess
Das ist ein sehr hartes Urteil

Hier kommt man zu einer objektiveren Beurteilung: „Es ist ein hartes Urteil.“  Kritisch wird das Verhalten einiger mutmaßlicher Neonazi erwähnt: Diese  feierten das im Vergleich zum Urteil von Tschäpe milde wirkende Urteil eines Mitangeklagten. Die Anwälte von Beate Zschäpe bereits angekündigt.

Weitere Artikel bei SPON:

Der verzerrte Blick

Vier erwartbare Urteile im NSU-Prozess, ein Paukenschlag: Die Empörung über die Freilassung des Verurteilten André E. ist berechtigt – und führt doch in die falsche Richtung. (…)

André E. aber ist frei. Der bekennende Nationalsozialist, die lebende Litfaßsäule voller antisemitischer und rassistischer Tätowierungen, spazierte am Ende des 438. Verhandlungstags als freier Mann aus dem Gerichtssaal. Rechte Gesinnungsgenossen auf der Zuschauertribüne applaudierten und jubelten laut, als der Richter den Haftbefehl aufhob. Es war eine Zumutung für alle Anwesenden, allen voran für die Hinterbliebenen. (…)

André E. kommt aus der U-Haft frei

Verurteilt – und doch freigelassen: Für André E. endet mit dem Schuldspruch im NSU-Prozess die Untersuchungshaft.

André E. ist im NSU-Prozess zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden – und kommt nach dem Schuldspruch dennoch frei: Der 38-Jährige wird aus der Untersuchungshaft entlassen. Am Ende der Urteilsbegründung hob das Oberlandesgericht München den Haftbefehl gegen E. auf.

Die Untersuchungshaft sei nicht mehr verhältnismäßig, sagte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl. Eine Gruppe anwesender Rechtsextremer reagierte mit Applaus und Jubel auf die Entscheidung des Gerichts, es kam zu kurzzeitigen Tumulten. Götzl forderte umgehend Ruhe. (…)

Zwischen Applaus und Verzweiflung

Das Urteil gegen Beate Zschäpe ist hart, die Strafe für André E. hingegen überraschend mild. Auf der Zuschauertribüne gab es Freude, in den Reihen der Nebenkläger hingegen verzweifelte Schreie. (…)

Das Gericht verurteilt Zschäpe wegen Mordes in neun Fällen, wegen versuchten Mordes in 32 Fällen im Fall des Nagelbombenattentats in der Kölner Keupstraße, wegen versuchten Mordes beim Sprengstoffanschlag in der Probsteigasse, wegen Mordes und Mordversuchs an zwei Polizeibeamten in Heilbronn, wegen mehrerer Raubüberfälle sowie wegen eines versuchten Mordes durch die schwere Brandstiftung in ihrem letzten Versteck in Zwickau. Und wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. (…)

Nach NSU-Urteil Tausende Demonstranten fordern weitere Aufklärung

Sie riefen: „Kein Schlussstrich!“ und „Der NSU war nicht zu dritt“. In mehreren deutschen Städten haben Tausende Demonstranten nach den NSU-Urteilen protestiert – sie fordern eine weitergehende Aufarbeitung. (…)

Faz: Urteile im NSU-Prozess:
Das Mosaik des Schreckens

(…) Auf dem Bild, das sich am Ende ergab, ist Zschäpe die Mittäterin an zehn Morden, zahlreichen Mordversuchen und Raubüberfällen. Aber für manche Verschwörungstheorie, die kolportiert wurde, gab es keine Beweise. Der Vorwurf, das Gericht habe sich vorzeitig auf die Verurteilung der Angeklagten festgelegt, ist fehl am Platz. Es ist eine Leistung des Vorsitzenden Richters, das Verfahren durch diverse Turbulenzen und Konflikte hindurch manövriert zu haben. Der NSU-Prozess war eine Zumutung für alle Beteiligten, aber er war nie eine Posse oder gar eine Farce.

Dass viele Fragen ungeklärt bleiben, ist den Münchner Richtern nicht anzulasten. Das Versagen der Sicherheitsbehörden ist bestürzend, es ist eine Mischung aus Schlamperei, Scheuklappen und Unfähigkeit. Wie das passieren konnte, wollen die Familien der Opfer wissen; auch das ist verständlich. Doch dafür sind nicht die Strafgerichte zuständig, sondern Untersuchungsausschüsse, die im Bund und in den Ländern eingesetzt wurden. (…)

Dieses Bild ergab sich allerdings nicht für alle, die emotionslos, gar kalt, die Fakten beurteilt haben oder es wollten.

Tagesspiegel: Urteil gegen Beate Zschäpe
Erleichterung und Kritik nach Urteil im NSU-Prozess

Mit dem historischen Urteilsspruch gegen Beate Zschäpe geht ein beispielloser Mammutprozess zu Ende. Zweifel bleiben jedoch. Tausende Demonstranten fordern weitere Aufklärung

Beate Zschäpe ist als volles Mitglied der rechtsextremen Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Das Oberlandesgericht München sprach die 43-Jährige am Mittwoch unter anderem des zehnfachen Mordes schuldig und stellte die besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren rechtlich zwar möglich, in der Praxis aber so gut wie ausgeschlossen. Viele Politiker, Menschenrechtsorganisationen und Verbände begrüßten das Urteil zwar, forderten aber eine weitere Aufarbeitung des NSU-Umfelds und der Rolle der Sicherheitsbehörden.

Fest steht schon jetzt: Das Urteil muss vom Bundesgerichtshof überprüft werden. Mehrere Verteidiger kündigten an, Revision einzulegen. (…)

Der Mitangeklagten Ralf Wohlleben, Holger G., Carsten S. und André E. wurden zu jeweils mehrjährigen Haft- und Jugendstrafen verurteilt.

Der NSU war 2011 aufgeflogen. Zschäpe hatte fast 14 Jahre lang mit ihren Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund gelebt. In dieser Zeit ermordete die Terrorgruppe neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft sowie eine Polizistin. (…)

Telepolis: NSU:
Nach dem Urteil ist vor der Aufklärung

Mit der Urteilsverkündung im NSU-Prozess wird keine Ruhe einkehren – im Gegenteil: Die Auseinandersetzung um die Hintergründe der unheimlichen Mordserie geht weiter. (…)

Vor allem der Fall Wohlleben führt zu den nach wie vor ungeklärten Hintergründen des NSU-Komplexes. Denn, ob die Urteile des Gerichtes gerecht, sachgerecht und angemessen sind, erklärt sich aus dem Prozess allein heraus nicht.

Dazu braucht es auch die Erkenntnisse aus den zahlreichen parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, aber auch was Journalisten durch Recherchen herausgefunden haben. Genau darin besteht die Doppelbödigkeit, die auch den Prozess von Anfang an durchzog.

Die Strafe für Beate Zschäpe ist nur dann folgerichtig, wenn das Konstrukt der Anklage stimmt: Die NSU-Terrorgruppe habe lediglich aus den drei Mitgliedern Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe bestanden. Doch wenn dieses Konstrukt in Zweifel steht, passt auch die Strafe nicht mehr so ohne weiteres.

Sechseinhalb Jahre Aufklärung haben aber ergeben, dass die Tätergruppierung größer als drei gewesen sein muss. Beim Polizistenmord in Heilbronn ist zwingend von mindestens vier bis sechs Tätern auszugehen. (…)

Beurteilt man das Urteil ohne Ideologie und Gefühle und zieht lediglich die Fakten herbei, gibt das Urteil ein eher schwaches Bild unserer Justiz wider. Ich sehe nicht, dass man Beate Zschäpe einen Mord oder Mittäterschaft an einem Mord nachgewiesen  hat. Naziverbrechen sind schlimm. Dennoch darf man sie nicht härter bewerten als ähnliche Straftaten mit anderem niederen Hintergrund. Das ist eine moralisch-ethische Frage.

Was unterscheidet z. B. einen Neonazi der wegen seiner Ideologie zum Mörder wird von einem muslimischen Mörder?