
Am Wochenende vom 6.7. November hatte die Schweizer Gewerkschaft des Öffentlichen Dienstes (VPOD) (1) ihren nationalen Kongress (2), der alle vier Jahre stattfindet und die Verbandspolitik der kommenden vier Jahre bestimmt. Eins der Themen war die Reaktion auf die Pläne der Schweizer Regierung, die Rentenalter von Mann und Frau anzugleichen – denn bislang dürfen die Frauen ein Jahr früher in Rente gehen. (3)
Als „linke“ Organisation ist der VPOD „natürlich“ gegen die Erhöhung des Renteneintrittsalter der Frauen. Doch uns ist ein bemerkenswerter Rede-Beitrag zugespielt worden, mit dem ein Gewerkschaftsmitglied an diesem Kongress dezidiert Stellung nimmt und für die Angleichung der Renteneintrittsalter wirbt.
Wir veröffentlichen das Manuskript exklusiv hier in unserem Magazin:
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!
Ihr seid zornig über das Renten-Paket des Bundesrats.
Zorn ist gut, denn Zorn gibt Kraft:
Aber: Zusätzlich zum Zorn braucht es noch einen klaren Kopf!
Es sei erinnert: Politische Auseinandersetzungen gewinnen wir, in dem wir die Unentschlossenen im Streit mit dem politischen Gegner überzeugen. Uns müssen wir nicht überzeugen. Unsere Gegner auch nicht. Die Unentschlossenen müssen wir überzeugen.
Dafür brauchen wir gute Argumente mit einer soliden Basis.
Die „Verbandskonferenz Frauen“ widerspricht der bundesrätlichen Lösung und begründet dies mit den niedrigen Frauenlöhnen und der Lohndiskriminierung.
Kolleginnen, Kollegen, DAS ist nicht logisch, das ist nicht glaubwürdig.
Ich erinnere daran: AHV-Leistungen sind Anspruch und Pflicht zwischen Beitragszahlern und AHV-Beziehern.
Und Löhne sind Anspruch und Pflicht zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
Höhere Löhne müssen gegenüber den Arbeitgebern erkämpft werden. Und nicht durch Rentenleistungen im Alter ausgeglichen werden.
Oder wollen wir tatsächlich ein niedrigeres Renteneintrittsalter für Frauen mit niedrigen Frauenlöhnen begründen? Wollen wir DIESES Argument wirklich den Arbeitgebern in die Hand geben?
„Ja, als Frau werden sie doch FÜNF Jahre länger AHV beziehen als ein Mann! Da werden sie doch verstehen, dass ein geringerer Frauenlohn gerecht ist?“
Wie absurd! Aber die Personalabteilung nutzt lediglich die Argumente der „Verbandskommission Frauen“.
Also, bleiben wir doch bitte logisch, bleiben wir doch bitte glaubwürdig.
Natürlich können wir unter uns Linken, unter uns Gewerkschaftern und Gewerkschafterinnen, solch einen Zusammenhang konstruieren und somit eine Legende bilden.
Aber in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner wird uns diese Legende in der Luft zerfetzt werden. Der Gegner hat dabei die Logik auf seiner Seite. Und wir stehen mit leeren Händen da!
Die Vermischung von Löhnen und Renten ist KEINE solide Basis für die politische Auseinandersetzung.
Also bleiben wir doch logisch, bleiben wir glaubwürdig!
Und das, indem wir der Angleichung der Renteneintrittsalter von Mann und Frau zustimmen. Wenn nicht nach oben, dann halt nach unten.
Ich fordere Euch auf, alle Resolutionen und Anträge abzulehnen, die ein
unterschiedliches Renteneintrittsalter mit Lohndiskriminierung begründen!
Für diese Rede gab es kräftige Buhrufe – so unser Gewährsmann – vor allem von den weiblichen Delegierten. Aber die Rede wurde gehalten. Und das war wichtig.
…
…
Fußnoten
Links:
- https://de.wikipedia.org/wiki/Schweizerischer_Verband_des_Personals_öffentlicher_Dienste
- http://www.bsv.admin.ch/aktuell/medien/00120/index.html?lang=de&msg-id=55276
- http://www.vpod.ch/aktuell/nachrichten/ansicht/article/47-vpod-kongress-zu-ende-gegangen.html?tx_ttnews%5BbackPid%5D=34&cHash=5
http://www.bsv.admin.ch/aktuell/medien/00120/index.html?lang=de&msg-id=55276
Blog Comments
Matze
12. November 2015 at 13:37
Schon komisch. Laut dem WDR-Video „Gegen den Strich“ waren Frauen, wenn sie 60-65 Jahre alt sind, durchschnittlich 15 Jahre(!) weniger erwerbstätig. In Deutschland wohlgemerkt, wo es so aussieht:
„Bei den Männern hat über den gesamten betrachteten Zeitraum (1991 bis 20134) die durchschnittliche Arbeitszeit leicht um 1,6 Stunden abgenommen: Während die Gruppe der Männer im Jahr 1991 im Durchschnitt auf 41,2 Arbeitsstunden pro Woche kam, waren es im Jahr 2013 durchschnittlich noch 39,6 Stunden. Damit verkürzte sich die durch-schnittliche Arbeitszeit zwischen 1991 und 2013 um 4 Prozent.
Bei den Frauen ging die durchschnittlich normalerweise geleistete Arbeitszeit um 4,1 Stunden und damit weitaus stärker zurück: Im Jahr 1991 kamen die erwerbstätigen Frauen in Deutschland auf durchschnittlich 34,4 Stunden. Innerhalb von etwas mehr als zwanzig Jahren sank dieser Wert auf 30,3 Stunden, wobei der Rückgang in den letzten Jahren nicht weiter fortzuschreiten scheint. Der Rückgang der durchschnittlichen Arbeitszeiten der Frauen zwischen 1991 und 2013 beläuft sich allerdings insgesamt betrachtet auf 12 Prozent.“
http://www.boeckler.de/pdf/p_wsi_report_22_2015.pdf
(Ich komme mit diesen Zahlen bei 40 Arbeitsjahren auf einen Unterschiede von fast 10 Jahren)
In Österreich sieht es etwas anders aus:
„Im Durchschnitt arbeiten Männer (in Österreich) nach wie vor rund sieben bezahlte (!) Arbeitsstunden mehr als Frauen.“
http://www.arbeit-wirtschaft.at/servlet/ContentServer?pagename=X03/Page/Index&n=X03_1.a_2011_01.a&cid=1294824506623
Und da wollen sie dann 1 Jahr eher in Rente und 5 Jahre länger Rente beziehen, obwohl sie wahrscheinlich mehrere Jahre weniger einbezahlt haben.
Und warum? Weil sie Kinder gekriegt haben? Das hat aber nicht jede Frau.
kardamom
12. November 2015 at 14:43
„Und da wollen sie dann 1 Jahr eher in Rente und 5 Jahre länger Rente beziehen, obwohl sie wahrscheinlich mehrere Jahre weniger einbezahlt haben.“
Die Frauen in der Schweiz gehen bereits 1 Jahr früher in Rente und wollen, dass es so bleibt. Wer weniger Jahre einbezahlt hat, erhält auch eine geringere Rente.
„Und warum? Weil sie Kinder gekriegt haben? Das hat aber nicht jede Frau.“
Nein, nicht weil sie Kinder bekommen haben; sondern weil sie angeblich zu wenig Lohn erhalten haben, weil sie Frauen sind. Die Lüge vom „Gender Pay Gap“ halt…