Michael Mansion - Kolumne: Mansion merkt an

Die Grünen und ihre Kriege
Vom Kosovo über Afghanistan bis zur Ukraine und anderswo
Alternative Überlegungen zur Zeitenwende
von Jean Fuchs

Eine kritische Betrachtung von Michael Mansion

In seinem Vorwort verweist der Autor als einstiges Gründungsmitglied der Grünen auf ihren friedenspolitischen Anspruch zur Zeit von Petra Kelly1 und von dessen Verabschiedung spätestens seit der Zustimmung zum völkerrechtswidrigen Kriegseinsatz im Kosovo. Die Grünen hätten sich zu einem integralen Bestandteil der NATO-Strategie gewandelt und seien es geblieben. Als ehemalige Protestbewegung hätten sich die Grünen den etablierten Parteien immer mehr angepasst.

Medial sei eine Tendenz zu beobachten, wonach die SPD als ehemalige Volkspartei abzulösen und durch die Grünen (mit frischem Wind) zu ersetzen sei. Die SPD habe sich vor allem gegenüber den USA als gelegentlich unzuverlässiger Partner erwiesen, weshalb die Grünen zunehmend medial aufgewertet würden.

Diese Protektion der Grünen sei ein weiterer Gegenstand der Untersuchung des Buches, weil sie nach Ansicht des Autors der Hauptgrund für ihren starken Machtfaktor in der bundesdeutschen Politik sei. Der Weg von der Protest- zur Machtpartei sei zum Abschluss gekommen. Ehemalige Pazifisten und Kriegsdienstverweigerer scheinen mittlerweile zu Waffenexperten geworden zu sein.

Widerspruch: Atommacht vs. „nukleare Teilhabe“

Einen eklatanten Widerspruch macht der Autor deutlich, indem er darauf verweist, dass zwar 71{18423f3510016d69a38748c31b9d3c63e55e56caeb597c341a8ea176480d5299} der Grünwähler dagegen seien, dass Deutschland eine eigenständige Atommacht werden soll, aber 64{18423f3510016d69a38748c31b9d3c63e55e56caeb597c341a8ea176480d5299} seien für eine „nukleare Teilhabe“, womit sie noch vor den Anhängern der CDU und der FDP lägen.

Dabei verweist Fuchs auf die heterogene Zusammensetzung der Grünen in den Anfangsjahren und ihre (dadurch) z.T. unterschiedliche Programmatik. Die Bundesversammlung der Grünen vom Oktober 1981 in Offenbach habe die Partei an den Rand der Spaltung gebracht. Radikale Pazifisten seien bei den Grünen immer eine Minderheit gewesen. Der Begriff „Friedenspartei“ sei ein Mythos und die Grünen hätten im Kosovo2 ihre Unschuld verloren.

Fischer und Cohn-Bendit3 hätten schon im Vorfeld der Bundestagswahlen 1998 zielgerichtet an einer Neutralisierung des linken SPD-Flügels gearbeitet, was dann wesentlich dazu beigetragen habe, dass Oskar Lafontaine nach nur wenigen Monaten von seinem Amt als Wirtschaftsminister zurückgetreten sei. Hier darf gefragt werden, wie groß der Einfluss von Cohn-Bendit und Joschka Fischer (hierauf) wirklich war. Beide standen allerdings für eine Realpolitik konservativ-sozialdemokratischen Zuschnitts, weshalb die zwischenzeitliche Forderung für einen Austritt aus der NATO aufgegeben werden musste, womit die Grünen koalitionsfähig (mit der SPD) wurden.

Der Krieg im Kosovo

Für den Angriffskrieg im Kosovo beschloss die NATO am 12. Oktober 1998 den Aktivierungsbefehl für den Angriff in 1999, wobei Schröder und Fischer dem Angriffsplan am 9. Oktober in Washington bereits zugestimmt hatten. Die Öffentlichkeit sei damals auf diesen Krieg eingestimmt worden. Das Massaker von Racek und der sog. „Hufeisenplan“ seien entscheidend gewesen. Von serbischen Konzentrationslagern sei die Rede gewesen, was sich, wie der Hufeisenplan, als Inszenierung erwiesen habe. Die Lügengeschichten von Fischer und Scharping4 seien erst nach gut einem Jahr aufgeklärt worden.
Der Journalist Eckhard Spoo5 hatte angemerkt, dass diese Kriegsführung ohne eine Irreführung der Öffentlichkeit nicht möglich gewesen wäre.

Dem Autor ist aufgefallen, dass „Der Spiegel“ den Kosovo-Krieg zum Gesinnungswandel der Grünen stilisiert hatte und merkt an, er (Der Spiegel) sei sich also nicht zu schade gewesen, historische Tatsachen zu verdrehen, indem er schrieb, Schröder und Fischer seien zu diesem Einsatz gedrängt worden. Es dürfte dem Autor allerdings auch aufgefallen sein, dass der Spiegel zumindest aktuell so etwas wie eine Hauspostille der Grünen geworden ist, wenn man sich ihn ein wenig genauer ansieht.

Fischer habe auf Bomben und Granaten gesetzt, habe er doch schon in jungen Jahren zu Steinen und Molotow-Cocktails gegriffen. Seine Gewaltaffinität verrate er, wenn er z. B. in einem Interview anmerke, es mache ihn optimistisch zu sehen, was heute unter dem Druck des Krieges und perspektivisch für die Klimakatastrophe alles möglich sei. Wie sollen wir das verstehen?
Unterstellt der Autor dem Nobelpensionär Fischer für das Klima einen Krieg führen zu wollen?

Der Molotow-Cocktail und Steine-Vorwurf hängt Fischer seit Ewigkeiten an, vernebelt jedoch viel eher seine reaktionäre und mainstreamgerechte Haltung im Umfeld aller aktuellen Problemfelder.
Der Defensiv-Charakter der NATO sei abgewandelt worden, meint Jean Fuchs. Wie das?
Was ist denn defensiv an einem Militärbündnis?

Direkte NATO-Einsätze ohne UN-Mandat

Durch die Änderung der NATO-Statuten vom 24. Januar 1999 seien nicht mehr nur Waffenlieferungen (etwa im Falle der Ukraine), sondern auch direkte NATO-Einsätze ohne UN-Mandat möglich. Der Autor geht auch auf das Problem der Kriegspropaganda ein und erwähnt eine Anmerkung von Noam Chomsky6, wo dieser daran erinnert, dass in1916 dem Boston Symphony Orchestra das Spielen von Beethoven verboten worden war. Die Methode feiere aktuell wieder fröhliche Urständ.

In Ludwigshafen habe eine ukrainische Dirigentin aufgrund von Druck aus ihrer Heimat das Programm ändern müssen. Statt Tschaikowsky erklinge nun Mahler (…). Es bleibe auch nicht nur bei einer Provinzposse dieser Art. Die Münchener Philharmonie habe sich von ihrem Dirigenten Valery Gergiev getrennt, weil dieser der Aufforderung nicht nachgekommen sei, sich von Wladimir Putin zu distanzieren.

Das sei die „Wiederentdeckung der Moral in der Allianz der Scheinheiligen“. Den Grünen sei das nicht alleine anzulasten. In der Gesellschaft der Aufrechten nähmen sie allerdings eine Vorreiterrolle ein (…).
Die Grünen wollten auch ganz bewusst eine Klientelpartei sein, die im Lager der Besserverdienenden angesiedelt ist, um die Kosten der Umwelt, Klima und Kriegspolitik auf die sozial schwachen abzuwälzen, die ohnehin kein Interesse an dieser Partei haben. An einer Armutsbekämpfung hätten sie kein Interesse, weil ihnen das keine Wählerstimmen bringe.

Fuchs geht davon aus, dass sich die Grünen der Gefahr bewusst sind, bestimmte Wählerschichten auch wieder verlieren zu können, weshalb sie an einer Erleichterung von Einbürgerungsrechten interessiert seien, um aus den Migranten künftige Wählerschichten zu erschließen. Die Grünen seien wendiger als andere Parteien und vor allem die SPD, die Schwierigkeiten habe, sich dem schnell wachsenden Zeitgeist anzupassen.
Warum eigentlich? – möchte man fragen, ist sie doch ein Teil desselben.
Besonders die Linkspartei schaffe es wegen ihres teilweise festgefahrenen dogmatischen Marxismus nicht mehr, signifikante Wählergruppen anzusprechen. Zudem befinde sie sich in einem Anbiederungsprozess an die Grünen.

Na ja, – so richtig zusammen geht die Sache nur mit der einfachen Erkenntnis, dass der Anbiederungsprozess der Linken an die Grünen als Ausdruck ihrer Theorieferne gesehen werden muss und dies deshalb, weil in den Reihen dieser Partei längst nicht mehr marxistisch gedacht wird. Es handelt sich hier also um ein klassisches Bildungsproblem!

Gleichklang der Medien in der allgemeinen Kriegslüsternheit

Warum meint der Autor auch, der Gleichklang der Medien sei befremdlich? Ist ihm das lediglich im Zusammenhang mit der allgemeinen Kriegslüsternheit aufgefallen? Blendet er den Rest des gesellschaftlichen Geschehens aus? Interessant ist die von ihm geäußerte Vermutung, dass die USA eine schwarz/grüne Regierung vorziehen würden, da diese sich den US-Vorgaben eher zu fügen bereit wäre.
Da kann er Recht haben, zumal die USA mit Joschka Fischer schon mal einen willfährigen Vollstrecker hatten.

Es ist aber vor allem die Kriegsrhetorik der Grünen, die der Autor im Blick hat. So habe Habeck den Vorwurf der Kriegstreiberei mit dem Hinweis von sich gewiesen, wer sich zu dieser Aussage versteige, stehe auf der Seite der Mörder. Habeck – so der Autor – scheine den Aspekt einer weiteren Kriegseskalation eher auf die leichte Schulter zu nehmen (…). Er gehe so weit zu sagen, dass diejenigen, die nicht seiner Meinung sind, auf der Seite der Mörder stehen.

Fuchs verweist auf die von Baerbock und Nouripour geforderte schärfere Rüstungskontrolle etwa im Zusammenhang mit Ägypten und Saudi-Arabien. Der Hinweis darauf, dass die Ukraine ein durch und durch korrupter Staat war und ist, wäre sinnvoll gewesen, weil medial der Eindruck erweckt wird, es handele sich bei der militärischen Hilfe um die „Verteidigung unserer Werte“.

Interessant bei Habeck sei auch, dass er eine Kausalität von Klimawandel und Demokratie herzustellen versuche und der Autor meint, dies sei deshalb nicht schlüssig, weil die Parteien ihre Wahlversprechen gleich wieder einkassieren.

Es gibt hier aber noch ein ganz anderes Problem, denn nicht nur Habeck, sondern das grüne Milieu insgesamt, sieht in der Klimapolitik ihrer Deutung die Verwirklichung von Demokratie und Freiheit schlechthin.
Wenn Habeck sich auf Hans Jonas7 berufe, so übersehe er dessen Hinweis darauf, dass sich gesellschaftliche Verantwortung in Abwägung verschiedener Möglichkeiten stets auf das pessimistischste Szenario einlassen müsste.

Habeck profiliere sich als Legitimationsexperte, eine Meisterleistung, die ihm durch die Flankierung der deutschen Leitmedien möglich sei. Auch Anton Hofreiter geriere sich derweil zum Autor einer „moralischen Verpflichtung“ gegenüber einem demokratischen Nachbarland, das von einer Diktatur überfallen worden sei. Auch die Faschismuskeule gehöre zum festen Repertoire der „Linken“.

Politische Irrungen im Bezug auf Krieg und Frieden

Der Autor bezieht sich hier u. a. auf Christian Ströbele, der eine Verbindung zwischen den Ostermärschen und den Reichsbürgern herzustellen versuchte.

Ludger Volmer plädiere für einen „handlungsfähigen Pazifismus“, habe ehemalige Außenpolitiker für eine Friedensinitiative gewinnen wollen, sei aber damit gescheitert, was nachdenklich mache. Der letzte Politiker, der vor der aktuellen Außenministerin vor Kriegsmüdigkeit gewarnt habe, sei Joseph Goebbles gewesen.

Man habe zum ersten Mal eine feministische und wertebasierte Außenministerin im Amt, die das deutsche Problem der Kriegsmüdigkeit beim Namen nenne und dieser Lethargie entschieden entgegentrete. Auch Lars Klingbeil von der SPD fordere, dass Deutschland nach 80 Jahren wieder einen Anspruch als Führungsmacht habe, meint der Autor ein wenig sarkastisch.

Seien die Grünen in ihrer Gründungsphase noch von K-Gruppen fremdgesteuert worden, werde die Partei heute von transatlantischen Bündnissen maßgeblich beeinflusst. Dem jahrelangen Strippenzieher (für die K-Gruppen) Jürgen Trittin, seien die Fäden aus der Hand genommen worden und er habe in der Partei praktisch nichts mehr zu sagen. Hier ist die Linksdeutung des Autors erneut ein wenig unklar!

Dafür widmet er der aktuellen Kriegsberichterstattung viel Aufmerksamkeit und verweist dabei auf die zurückliegenden Szenarien. Er spricht von einer fragwürdigen Rolle der Medien im Hinblick auf eine „objektive Berichterstattung“. Ein „Haltungsjournalismus“ verhindere, dass die Medien ihrer Aufgabe gerecht werden können. Es sei keine Verschwörungstheorie, dass es eine von Bill Gates und Georges Soros gesponserte Plattform gebe, wo sich die Medienagenturen Nachrichten und Kommentare herunterladen können. Diese Plattform nenne sich „Project Syndicate“.

Insgesamt fänden sich aktuell 31.185 Organisationen, die vom „selbstlosen Engagement“ der Stiftung profitieren. Für investigativen Journalismus fehle den Medien heutzutage einfach das Geld.
Financiers wie Jeff Bezos übernehmen dann auch gleich schon mal eine ganze Zeitung wie die Washington Post.

Zensur bis in die Buchverlage

Zensur setze sich derweil auch langsam in den Buchverlagen durch, wenn etwa der Beck-Verlag den Bestseller von Gabriele-Krone-Schmalz nicht mehr nachdrucke, weil die Autorin nach Angabe des Verlages angeblich eingestanden habe, dass ihre Argumente (darin) widerlegt seien. Ein solches „Eingeständnis“ soll jedoch nie vorgelegt worden sein.

Die regierungsnahe Berichterstattung sei augenfällig. Pro und Contra-Argumente würden in der Regel nicht mehr ausgetauscht. Das sei eine besorgniserregende Entwicklung, welche zu Parallelwelten führe.
Umfragen, als ein manipulatives Instrument und eine Art von Infokrieg (etwa gegen russische Medien) hätten sich etabliert und verfestigten ein „schiefes Bild“ der Wirklichkeit.
Mit kritischem Journalismus lasse sich kein Geld mehr verdienen!

Es ist mutig, dass der Autor den Krieg in der Ukraine als Stellvertreterkrieg zweier Supermächte bezeichnet und damit (auch) antigrün argumentiert. Mit einiger Berechtigung kritisiert er die Stimmen derer, die dem Kanzler Zögerlichkeit vorgeworfen hatten, obschon dieser zunächst einer vorgefertigten Kriegslogik nicht folgen wollte.

Warum Fuchs dem „Spiegel“ durch Zitate noch eine Art von Seriösität abgewinnen will, erschließt sich dabei nicht.

Durch die deutsche Reaktion auf den Ukraine-Krieg habe sich das Land auf eine Option mit verheerenden Auswirkungen für die deutsche Volkswirtschaft eingelassen. Hierbei käme den Grünen eine Schlüsselrolle zu, hinter welcher der politisch-mediale Komplex stehe. Die mediale Inszenierung der Grünen funktioniere perfekt.

Dass sich der Autor immer wieder an ehemaligen K-Gruppen-Mitgliedern wie Rald Fücks aufreibt, denen er ankreidet, sich bis heute nicht zu ihrer politischen Vergangenheit zu bekennen, erinnert ein bisschen fatal an eine mildere Form von Mc. Cathyismus, wie sie bei strammen Konservativen gepflegt wird. Warum auch Henryk M. Broder zum „tiefschwarzen Kolumnisten“ wird, obwohl er doch eher einem erfrischenden Liberalismus nahe steht, ist nicht nachzuvollziehen.

Ralf Fücks wird sogar zu einem ehemaligen Kommunisten stilisiert, der integraler Bestandteil der herrschenden Machtverhältnisse geworden sei. So integrativ ist der Kapitalismus für Salonkommunisten, könnte man hinzufügen.

Das führt natürlich zu Fehleinschätzungen, die aber zu verschmerzen sind, denn der Autor hat die ganzen Zusammenhänge von Think-Tanks, NGOs, Atlantik-Brücke, dem Zentrum Liberale Moderne, der Bundeszentrale für politische Bildung und das „Framing“ der Leitmedien gut herausgearbeitet. Dabei weist er schlüssig nach, wie etwa eine Organisation wie Liberale Moderne (LibMod) vom Bundespresseamt mit jährlich 500 000 € ohne Zweckbindung gefördert wird. Weitere Beiträge sollen von der Soros-Stiftung eingeflossen sein. Hierbei ginge es aber einzig nur darum, den politischen Gegner fertigzumachen.

Auf der Homepage www.gegneranalyse.de könne sich jeder umfassend über systemoppositionelle Medien informieren. Dort finde sich auch eine Fallstudie, die sich mit den Nachdenkseiten auseinandersetze. Die LibMod sei eine gemeinnützige GmbH und Rald Fücks plane neben seinem Engagement als Interviewpartner offensichtlich so etwas wie den Aufbau eines „Wahrheitsministeriums“.

Als „feindliche Elemente“ werden da schon mal Namen wie Arnold Gehlen, Martin Heidegger, Ernst Jünger, Konrad Lorenz, Botho Strauß, Oswald Spengler, Thomas Mann oder Richard Wagner genannt.
Ein Refugium der „Feinde der offenen Gesellschaft“ entsteht, ein quasi faschistisches Spektrum, dem weitere Namen hinzugefügt werden. Was aber soll der ehemalige Maoismus von Ralf Fücks im Zusammenhang mit dessen unterstellter Sympathie für eine liberale Gesellschaftstheorie?

Das Wesen seiner hier zum Ausdruck gebrachten politischen Praxis (als Praxis der Denunziation) ist nichts weiter als antiemanzipatorisch und antiaufklärerisch. Der Autor hätte bei der Aufzählung der Namen einiger Altlinker vielleicht auch Bernd Rabehl zitieren können. Der allerdings hat den ganzen aktuellen Spektakel in seiner moralisierenden und theoriefernen Verbohrtheit durchschaut, was ihm den Hass der pseudo-linken Szene eingebracht hat.

Interessant ist der Hinweis des Autors auf ein Stellengesuch der grünen Bundesgeschäftsstelle, wo ein/e „Vorstandsreferent*in für die Datenanalyse und Gegnerbeobachtung“ gesucht wird. Meldestellen für Rassismus und Queerfeindlichkeit sollen aufgebaut werden. Eine Blockwartmentalität bahne sich an. Den Grünen komme auf einigen Ebenen eine Schlüsselrolle zu, meint der Autor und es verwundert, wenn er dabei nur deren (verlogene) messianische Friedenspolitik im Auge hat, weil ja auch der Rest ihrer bestimmenden Agenden religiöse Züge angenommen haben.

Überlegungen zum Krieg in der Ukraine

In seinen Überlegungen zum Krieg in der Ukraine (ab Seite 97) ist der Autor um eine klare Sicht in den historischen Zusammenhängen der jüngeren Geschichte bemüht. Das ist ihm in dieser zusammenfassenden Form auch gelungen und kann als gutes Erklärungsmodell gesehen werden. Er fällt auch nicht auf die Argumentation herein, dass Energielieferungen aus Russland immer schon des Teufels gewesen wären und er lässt auch keinen Zweifel daran aufkommen, wem die Zerstörung von Nordstream 2 den meisten Nutzen beschert.

Fuchs beschreibt hier auch die Komplexität des medial-militärisch-industriellen Komplexes, was zu einer engen Verzahnung von Finanzkapital, Rüstungsindustrie und den Medien geführt habe. Erhellend ist auch der Blick des Autors auf die Ukraine selbst und vor allem auf ihre jüngere Geschichte. Heraus kommt dabei die Betrachtung eines korrupten Staates, dessen führende Clique unter Präsident Selenskyi ein autokratisches und seinem Wesen nach antidemokratisches System verwaltet. Eine freie Presse sei dort schon vor dem Krieg nicht möglich gewesen.

Das heutige Narrativ sei die Wandlung eines ehemaligen Sowjet-Staates hin zur freiheitlichen Demokratie. Im April 2022 habe Selenskyi den „Friedenspreis der Medien“ erhalten, denn – so die Begründung – die ganze Welt blicke voller Bewunderung auf den Freiheitskampf der Ukrainer. Auch dem ukrainischen Ex-Botschafter Andrij Melnik widmet Fuchs berechtigt einige Aufmerksamkeit, da dieser kein unbeschriebenes Blatt sei und offen seine Bewunderung für den Faschistenführer Bandera zum Ausdruck gebracht habe.

Bei der Frage, was den Ukraine-Krieg so gefährlich mache, verweist der Fuchs auf eine ganze Reihe begangener Fehler im Zusammenhang mit den durch die NATO ignorierten Sicherheitsinteressen Russlands. Diese könnten sich durch die verstärkte „Hilfe“ für die Ukraine in Sinne einer eskalierenden Kriegsgefahr verschärfen. Das werde auch in den USA durchaus so gesehen.
Dabei habe der irrationale Glaube an einen Sieg über Russland nicht mal eine adäquate Entsprechung bei der Definition möglicher Kriegsziele.
Was eigentlich mache EU und NATO so siegessicher? Könnte das eine maßlose Überschätzung des Westens sein?

Andauernde (wirkungslose) Sanktionspolitik

Was die nun schon über Jahre andauernde Sanktionspolitik angehe, so führt der Autor einige wichtige Zahlen an und bezeichnet die Sanktionen im Wesentlichen als wirkungslos. Es werde jedoch gleichzeitig versucht, eine Stärke des Westens zu suggerieren, der die russische Wirtschaft in die Knie zwingen werde. Allerdings stammen z.B. 40{18423f3510016d69a38748c31b9d3c63e55e56caeb597c341a8ea176480d5299} aller Nickel-Importe aus Russland. Auch andere wichtige Rohstoffe seien exklusiv nur in Russland zu bekommen. Russland habe seine Rohstoffexporte mittlerweile an „zuverlässige“ Länder vergeben.

Die Sanktionspolitik habe katastrophale Folgen für die deutsche Wirtschaft, meint der Autor. Ein Abwärtstrend der deutschen Volkswirtschaft sei zu beobachten. Bei hohen Inflationsraten seien schwache Konjunkturdaten zu erwarten. Eine (wie erfolgt) Erhöhung des Leitzinssatzes kann die Wirtschaftsaktivität dämpfen und zur Rezession führen.

Die Politik habe sich bisher immer auf die Schönwetterlage des Systems verlassen, aber an ein Selbstregulativ des Gesamtsystems sei nicht zu denken. Der Ukraine-Krieg habe so etwas wie einen Härtetest ausgelöst, wobei die Endverbraucher die gestiegenen Kosten zahlen müssen. Der Neoliberalismus habe seinen Zenith längst überschritten und eine Weltwitschaftskrise stehe mit dem Ukraine-Krieg unmittelbar bevor.

„Die gün/rote Zeitenwende“

Eine konkrete Vorstellung über die grün/rote Zeitenwende existiere nicht und man werde wohl eher die Tiefen der neuen Abgründe ausloten müssen. Hinsichtlich einer Friedenspolitik folgten die Grünen lediglich den Weisungen aus Washington. Deren Interessen seien jedoch anders gelagert als die Europas.

Wenn die USA den Russen ein zweites Afghanistan bereiten wollen, dann sei ein schnelles Kriegsende nicht in Sicht. Der Autor geht davon aus, dass uns die grüne Apologetik einen fortgesetzten (zunehmenden) Schaden zufügen wird, dessen Folgen sich schon ankündigen. Den energieintensiven, vor allem mittelständischen Betrieben, wird es an den Kragen gehen. Fuchs meint, die Grünen versäumten es, der erneuerbaren Energie in Deutschland einen neuen Schubs zu geben. Das verwundert ein wenig, sind sie doch weiterhin und offenbar mehrheitlich der Meinung, dass Wind und Sonne die erforderliche Grundlast ohne Atomenergie stemmen können.

Habeck, der Getriebene

Dass aus Habeck jetzt ein Getriebener geworden ist, liegt natürlich in der Natur der Dinge, welche eine Sache der gesellschaftlichen Wirklichkeit ist. Daraus ist eigentlich kein Vorwurf zu machen.
Das einzige, was im Sinne grüner Wirtschaftspolitik noch als nachhaltig zu bezeichnen wäre, sei der vollständige Ruin ganzer Wirtschaftszweige und der Niedergang der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt.
Es könnte sein – so der Autor – dass die „Marke Grün“ bei einem Scheitern mit einem ähnlichen negativen Beigeschmack wie der Begriff Sozialismus behaftet wäre. Hier wäre zu bedenken, dass die Ausreden schon jetzt gezimmert werden, denn ein Scheitern der Grünen würde einem bockigen Souverän angelastet, der sich nicht habe überzeugen lassen.

Eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten bringe die Grünen in eine Bredouille und Fuchs meint, das eigentliche Problem sei der handstreichartige Ausstieg aus der Atomenergie durch die Kanzlerin gewesen.

In einer abschließenden Bilanz verweist er auf den Fakt, dass nicht nur von der Außenministerin geäußert worden sei, dass Russland den Ukraine-Krieg nicht gewinnen dürfe. Da Putin nicht bereit sei, sich US-Interessen zu beugen, muss man sich über mögliche Konsequenzen klar werden. Die USA hätten dabei einen möglichen Einsatz von taktischen Atomwaffen in Europa nicht zu spüren.

Es sehe zwar so aus, dass der „Verantwortungsethiker“ Habeck keinen atomaren Konflikt wolle, aber einen totalen Ruin durchaus hinnähme. Der kommende Winter werde es zeigen und das Szenario bahne sich bereits an. Die deutsche Volkswirtschaft werde nicht mehr von einer symbiotischen Partnerschaft mit Russland profitieren können. Damit werden sich alle Rahmenbedingungen verschlechtern und das Land in einer Zustand permanenter Krisen versetzen.

Jean Fuchs macht sich im letzten Kapitel ein paar Gedanken zu Orwells 1984.

Dieser spricht von Kriegen, die niemand mehr gewinnen kann, verbunden mit der Dystrophie eines perfekten Überwachungsstaates, Verknappung von Rohstoffen, Kriegswirtschaft und der Einführung marktradikaler Reformen. Die erwünschten Feindbilder liefert der medial-militärisch-industrielle Komplex.

Fuchs geht auf die Metapher vom „Great Reset“ ein, wo niemand mehr etwas besitzt und alle glücklich sind.

Der Ukraine-Krieg sei nur ein Mosaikstein des gesamten Bildes, das mit den Leitmedien geschaffen werde. Dabei müsse der gesellschaftliche Reproduktionsprozess funktionsfähig bleiben, um dem Staat genügend Steuereinnahmen zu sichern.

Es sei doch sonderbar, dass Olaf Scholz kurz nach dem Beginn des Ukraine-Krieges sofort ein Sondervermögen von 100 Mrd. € für die Rüstungsindustrie habe schaffen können, während man sich zuvor habe anhören müssen, dass kein Geld mehr für die Sozialsysteme verfügbar sei.
Die Rente mit 70 werde erneut diskutiert, um sich schon mal daran zu gewöhnen, damit die politische Umsetzung später leichter falle.
Diese Sicht ist nicht neu und berührt ja auch den klassischen Widerspruch von Kapital und Arbeit.
Dem Autor ging es aber grundsätzlich um eine kritische Sicht auf die Grünen, die er als wesentlichen Teil der aktuellen Misere begreift. Dem ist unumwunden zuzustimmen.


Fußnoten

  1. Petra Kelly (1947-1992) deutsche Politikerin und international bekannte Friedens-Umwelt und Menschenrechtsaktivistin. Gründungsmitglied der Grünen / Von 1983-1990 Abgeordnete im Deutschen Bundestag.
  2. Der Kosovo-Krieg war ein bewaffneter, auch ethnischer Konflikt um die Kontrolle des Kosovo vom 28. Feb. 1998 – 10. Juni 1999 unter Beteiligung auch Deutschlands ohne erforderliches UN Mandat.
  3. Daniel-Cohn-Bendit (1944) ist ein deutsch-französischer Publizist, Europa-Abgeordneter und Politiker der Grünen.
  4. Rudolf Scharping (1947) deutscher SPD-Politiker und Bundesverteidigungsminister von 1998-2002.
  5. Eckhard Spoo (1936-2016) deutscher Journalist und Publizist. War Vorsitzender der Deutschen Journalisten-Union und Mitherausgener der Zeitung Ossietzky.
  6. Noam Chomsky (1928) Prof. für Linguistik / Prominenter US und Kapitalismus-Kritiker / Zahlreiche Veröffentlichungen (Wer beherrscht die Welt/Manufacturing Consent/On Human Nature zusammen mit Foucault).
  7. Hans Jonas (1903-1993) deutsch-amerikanischer Philosoph / Friedenspreis des Deutschen Buchhandels / Arbeiten zum Thema Ethik und gesellschaftliche Verantwortung (Das Prinzip Verantwortung/Der Gottesbegriff nach Auschwitz/Gnosis: Die Botschaft des fremden Gottes/Technik, Medizin und Ethik).

Das Buch ist im Gerhard Hess-Verlag erschienen, hat ein Vorwort und neun Kapitel, 158 Seiten, einen Literaturhinweis und einen Disclaimer.
Es ist unter der ISBN Nummer: 978-3-87336-787-6 zum Preise von 18,90 € erhältlich.