Eine Rezension von Michael Mansion
Michael Rumpf:
Mein Jahr mit der deutschen Sprache (2013)

Eine Unzahl von Anglizismen werde bereitwillig importiert, meint der Autor im Vorwort und sieht diese Bereitwilligkeit auf mehreren Ebenen angesiedelt, wie etwa dort, wo man sich (davon) einen Distinktionsgewinn erhofft.

Zugleich ergeben sich groteske Situationen, wenn – wie zitiert – ein Telekom-Kunde in einem Brief an die FAZ vom November 1999 von einem Abenteuer zu berichten wusste, wo man ihn als Top-Kunden schriftlich mit einer ganzen Reihe von Anglizismen konfrontierte, um deren Übersetzung er dann telefonisch bat.
Das erwies sich jedoch als problematisch, weil ihn der erste, offenbar überforderte Gesprächspartner, geflissentlich mit einer „höheren Stelle“ verbinden musste, die ihn dann wissen ließ, man habe gerade kein Wörterbuch zur Hand.

Ein Witz? Nein — Realität!

Das im Verlag Basilisken-Presse erschienene Buch hat 108 Seiten, gliedert sich mit dem Vorwort in drei Kapitel und enthält zudem einige sehr treffende Karikaturen.

Englisch gilt als cool, ganz im Gegensatz zum komplizierteren Französisch, dessen Anwendung etwa in den saarländischen Grenzregionen zu Frankreich deutlich sinnvoller wäre, wo es im moselfränkischen Dialekt noch viele (dialektverfremdete) französische Begriffe gibt, die jedoch mehr und mehr verloren gehen.

Wenn aber schon Schulbücher für die Grundschule „Playway“ heißen, dann dürfte die anvisierte Richtung klar sein.
Die Weigerung, die deutsche Sprache zu ihrem Schutz ins Grundgesetz aufzunehmen, sei – so der Autor – einem Schwund an Selbstbewusstsein durch den Nationalsozialismus geschuldet.

Eine sprachliche Schuld-Kultur

Die Umstellung der Studiengänge an deutschen Hochschulen auf das Englische und die Ablehnung der Forderung, auf deutschen Schulhöfen solle eine Deutsch-Pflicht gelten, stehen wohl in der gleichen Tradition einer auch sprachlichen Schuld-Kultur.

Der inszenierte sprachliche Wandel gehe einher mit einer tiefgreifenden kulturellen Anpassung (Unterwerfung?).

Seit 2003 habe sich die Tendenz nicht verändert, dass die deutsche Sprache offenbar keinen Wert (mehr) auf eigene, bzw. eigenständige Wortschöpfungen lege, sondern sich zunehmend englischer oder amerikanischer Ausdrücke und Redewendungen bediene. So sei die Warenwelt fest in denglischer Hand. Smartphone und Tablet seien hierfür symptomatisch.

Auch die Corona-Krise habe ihren Tribut beim shutdown oder lockdown gezahlt.

Als der Vorsitzende des VDS(1), Prof. Krämer, im Mai 2020 die Öffentlich-Rechtlichen wegen ihrer Neigung, von Homeoffice, Homeschooling oder Social-Distancing zu reden, als Sprachpanscher des Jahres zu benennen beabsichtigte, war die Zeitung „Die Welt“ sofort bemüht, ihn in die rechte Ecke zu drängen.

Derweil verweisen Linguistik-Professoren auf einen permanenten Wandel der Sprache. Hier habe die Wissenschaft neutral zu dokumentieren und nicht zu werten.

Dass es im Zeitalter der Medien aber im Sinne eines verordneten Neusprech eher um Erziehung geht, gerät dabei etwas aus dem Blick!

Die Zahl der Anglizismen dürfte weiter steigen, aber könnte es nicht sein, dass es nach dem 2. Weltkrieg für eine Mehrzahl der Deutschen angenehm schien, sich der scheinbar unbelasteten Kultur der großen Siegermacht zu überantworten, die doch für so viele Intellektuelle eine rettende Insel war?

Könnte das der große Wendepunkt gewesen sein?

Verleugnung der Wirklichkeit:
Anmerkungen zum Einfluss des Englischen auf das Deutsche

Der Autor zitiert G.C. Lichtenberg(2), wo dieser anmerkt, dass eine Nation, die allen gefallen will, es verdiene, von allen verachtet zu werden und er erinnert an die Verleihung des „Kulturpreises deutsche Sprache“ 2001 an Rolf Hochhuth.

Dieser hatte in seiner Kasseler Rede(3), die den Titel „Die Verbannung der Muttersprache“ trug, nicht nur, jedoch auch von seinem gescheiterten Versuch gesprochen, das Deutsche gesetzgeberisch schützen zu lassen.

Sein damals resignativer Tonfall habe in den vergangenen Jahren jede nur denkbare Bestätigung erfahren.

Gerade auch die gewaltige Ansammlung von Anglizismen auf dem Sektor der Unterhaltungstechnik, der Bekleidungsmode und der Automobilindustrie, lasse die Frage aufkommen, wie es zuvor möglich war, überhaupt etwas zu verkaufen?

Hier verbinde sich offenbar ein Gefühl von Modernität mit einer Art von „fit for future“-Mentalität.

Der „Faust“, der die Bibel ins geliebte Deutsch übersetzen wollte, sähe sich heute wohl mitleidigem Kopfschütteln ausgesetzt, welches seine Rechtfertigung in den gelegentlich zu hörenden Anmerkungen sucht, der Trend sei im Rest Europas kaum besser.

Das stimmt (nur) in gewissen Grenzen, denn kein Land Europas übernimmt das englische Vokabular im gleichen Umfange wie Deutschland und auf Frankreich bezogen, das in seinen Medien klare Grenzen für außerfranzösische Spracheinflüsse gesetzt hat, ist dies zugleich nicht das einzige Land in Europa, das seine Sprache schützt. Polen und die Slowakei sind diesem Beispiel gefolgt.

Die Zeitung Le Figaro sprach von einer sprachlichen Kannibalisierung Deutschlands durch das Englische.

Einige Sprachforscher unterstellen so etwas wie einen allseitigen Wortaustausch, was bei genauerem Hinsehen (bezogen auf das Deutsche) etwas zweifelhaft ist, weil die deutschen Begriffe in Lautgebung und Schreibweise in die Nehmersprache integriert werden müssten, was jedoch nicht stattfindet.

Der Autor verweist darauf, dass die deutsche Sprache schon viele ausländische Spracheinflüsse (etwa im Barock) durch Latein, sowie durch Italienisch oder Französisch habe ertragen müssen.
Man geißelte die damaligen Auswüchse, die zugleich zu „fruchtbringenden Sprachgesellschaften“ geführt hätten.

An den deutschen Höfen sei das Französische lange die Vorbildsprache gewesen und Voltaire, der am Hofe Friedrichs des Großen lebte, habe angemerkt, Deutsch sei nur für die Soldaten und die Pferde.

In Lessings(4) Mina von Barnhelm, weigert sich die Titelheldin mit dem Chevalier Riccant de la Marlinère in Deutsachland Französisch zu sprechen.

Eine gewisse sprachliche Widerständigkeit der Deutschen, sei bei aller Liebe zu fremden Sprachen allerdings auch zu vermerken und hatte bislang (noch) eine Selbstaufgabe verhindert.

Der Autor verweist hier historisch auf sprachlich deutsche „Ersetzungen“ im Postwesen durch Generalpostmeister Heinrich von Stephan(5) oder die „Eindeutschung“ der Fußballsprache (1903) durch Konrad Koch(6).
Einen solchen Versuch heute zu unternehmen, würde wohl als Nationalismus gewertet. Hier müsse man aktuell die Supermacht der Medien zusätzlich im Blick haben.

Englisch sei die aktuelle Verkehrssprache und sie anzuwenden bedeute, sich zukunftsgewandt zu geben. Auch das Internet spreche Englisch im Sinne eines Alleinstellungsmerkmals ohne jede historische Vergleichsmöglichkeit.
Deutschland sei zudem durch die Nazi-Verbrechen in seinem Selbstwertgefühl verunsichert, was linguistische Anpassung leichter mache.

Das wirft eine interessante Frage nach dem beteiligten Anteil auf:

Ist es primär die Nazi-Vergangenheit, die einen sprachlichen Selbsterhalt bedroht oder eher der Habitus eines modisch-progressiv daher kommenden Lifestyles?

Grundschule und Gymnasium setzen dabei mit der Anzahl der Englisch-Stunden die Wegemarken angemessener Basis-Verbreitung.

Die Relativierungsversuche des Denglischen als eine Art von Normalität beschreiben zu wollen, sieht der Autor kritisch hinsichtlich ihrer statistischen Dominanz, welche sich um die Gebrauchshäufigkeit wenig schere und nur die Anzahl der Wörter selbst im Blick habe.

Es gehe nämlich um die Intensität der Alltagsbedeutung, welche die Begriffe erlangen, wo ihnen zugleich keine vergleichbare Liste deutscher Neuprägungen entgegenstehe.

Gelegentlich höre man auch ein Argument, welches dem Englischen eine höhere sprachliche Effizienz zubilligen will, aber warum heißt dann eine deutsche Zeitung „Money“ und nicht „Geld“?

Zudem werde manche Kürze auch damit erkauft, Laute aussprechen zu müssen, die es im Deutschen nicht gibt.

Der Autor weist akribisch den Weg bestimmter Wortbedeutungen nach, die ihre Herkunft z. T. im Lateinischen haben, darauf jedoch im deutschen Sprachgebrauch keinen Bezug mehr nehmen und sich einer Zuweisung aus dem Englischen überantwortet haben.

Die eigentliche und wenn man so will alltägliche und omnipotente Verdrängung des Deutschen, erfolge auf der Ebene willkürlich ersetzter Begriffe und Metaphern.

Wenn

  • der Flughafen zum Airport,
  • die Fluglinie zur Airline,
  • der Weltenbummler zum Globetrotter,
  • der Freiwillige zum Volunteer,
  • das Überbieten zum Toppen,
  • der Strand zum Beach,
  • die Bühne zur Stage,
  • die Pauschale zur Flat,
  • das Reiseziel zur Destination,
  • ja selbst das Fluchen mit einem „what the hell oder dem analorientierten „fuck“

„bereichert“ wird, dann hat das (offenbar) den Vorteil eines jugendlichen „Touches“, meint der Autor und fügt sarkastisch hinzu, das Problem werde sich wohl biologisch lösen, denn Englisch sei Deutsch für Jüngere oder Junggebliebene, die heute bekanntlich überall (und nirgendwo) zu Hause sind.

Ein deutsche Spezialität seien auch die Scheinanglizismen, wie am Beispiel Handy deutlich werde .

Diese Liste sei lang und reiche von outdoor bis hin zu wellness, vom public viewing (in den USA steht das für die Aufbahrung eines Toten), über den best ager bis hin zum beamer oder oldtimer.

Die Filmtitel aus den USA würden nicht mehr übersetzt. Das Deutsche fungiere allenfalls als Zweittitel und hippe Stilmagazine bevorzugen englische Titel.

Dem wäre vielleicht hinzuzufügen, dass selbst jahrzehntelange Berieselung mit anglo-amerikanischer Musik nie zu einem Bedürfnis nach einer Übersetzung der Texte geführt hat, die von einer überwiegenden Mehrzahl nie verstanden wurden und werden.

Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass sich Italien, als einziges europäisches Land, eine sehr eigenständige Unterhaltungsmusik bewahrt hat.

Hinsichtlich der Durchdringung der Gesellschaft mit der englischen Sprache, ergäben sich hybride Wortschöpfungen wie etwa Non-Profit-Projekt oder White-Collar-Kriminalität.

Der Eindruck, der auch von vielen Ausländern geteilt werde sei der, dass es sich prozesshaft um eine Form politisch motivierter Selbstverleugnung handelt.

Das deutsche Sprachgefühl habe die Flexibilisierung schon hinter sich, die dem Arbeitsmarkt noch bevorstehe.
In einer „weltweiten Community“ werde künftig wohl gelten, dass Deutsch die einzige europäische Kultursprache ist, zu deren Beherrschung man zweisprachig sein muss.

Ein Jahr mit der deutschen Sprache 2003

Das zweite Kapitel des Buches ist in der Form von Tagebucheintragungen angelegt und der Autor verweist mit viel satirischem Witz auf den neuen Jugendkathechismus der kath. Kirche, der jetzt „Youcat“ heißt und dabei die Assoziation zu „Pussycat“ nicht gescheut hat. Man dürfe darauf warten, dass für Auferstehung demnächst „Comeback“ steht.

Auch modische Verballhornungen etwa „wörtlicher“ Übersetzungen aus dem Deutschen ins Englische kommen nicht zu kurz (Seite 33) oder Begriffe wie etwa das Braindrain und Michael Rumpft macht auch auf eine gewisse Freude am Wortklang des Englischen als einem ästhetischen Aspekt aufmerksam.

Auf die Frage, warum das Opel-Modell Adam in der Werbung englisch ausgesprochen werde, hieß es aus der Marketing-Abteilung, man wolle ein junges Publikum ansprechen.

Vermutlich – so der Autor – sei es auch besser an einem Burnout zu leiden als an Erschöpfung, während die im Begriff „fuck“ zum Ausdruck gebrachte Errungenschaft der Fäkalsprache, das alt eingesessene „Scheiße“ verdränge und der „fucking bastard“ gelte mittlerweile als originelles Neudeutsch.

Pimpen (nicht pimpern/das hätten wir noch gewusst!) steht neuerdings fürs Aufmotzen und bislang unvorstellbare Akronyme machen sich breit.

Wer will schließlich noch deutsch sein, wenn ihn das am Menschsein hindert.

Es seien vornehmlich eher ältere Leute, die sich über Anglizismen empören, während sich die Jugend durch sie definiert.

Man ist halt auf der Seite der Zukunft, was immer das auch sein mag.

Beweist es etwa deutsche Behäbigkeit, zu deren Überwindung eine Hochgeschwindigkeitskamera jetzt high-speed-camera heißen muss?

Ein erkennbares Oberschichtenverhalten definiere sich durch Fremdsprachenkenntnisse, sowie die Übernahme fremdsprachlicher Schreibung und Lautung, während sich zugleich die linguistische Anerkennung von Migrantendeutsch etabliere. Da gibt es – je nach Einstellung – so etwas wie sprachlichen Mehrwert und Distinktionsgewinn oder die Nivellierung wächst gar zur Kompetenz.

Die deutschen Speisekarten werden „bunt“ oder sind gleich nur noch in Englisch verfügbar, was gelegentlich schon mal vorkommt.

Man fragt sich, warum die Engländer nicht gelegentlich Anleihen in der deutschen Sprache machen, was sich bei Begriffen wie Anmut oder Groll angeboten hätte.

Ignoranz und Anpasserei

Ein Wechselspiel aus Ignoranz und Anpasserei sei zu beobachten.

Auf einer Internetseite des „Institutes für deutsche Sprache“ wird die Curry-Wurst als ein besonders geglückter Versuch für ein Wort mit Migrationshintergrund gefeiert. Als Herkunftssprachlich wird Curry dabei dem Tamil zugewiesen.

Solcherlei Wissenschaft will natürlich auch nicht von einem Sprachverfall reden, sondern nur von „Wandel“.

Vermutlich wäre auch die Einführung des Englischen als Landessprache in Deutschland kein Verfall.

In einem kleinen von Roberto Saviano herausgegebenen Sammelband mit Reden von Umberto Eco unter dem Titel „Der ewige Faschismus“, gibt es eine Stelle, wo Eco von einem künftigen (multikulturellen) Europa träumt, wo alle „leidlich“ Englisch miteinander reden.

Offensichtlich ist es so, dass auch Intellektuelle zu der Ansicht fähig sind, dass die nationalen Sprachen ruhig sterben können, wenn sich die überwiegende und wohl etwas unterbelichtete Mehrzahl der Bevölkerung eines EU-Gesamtstaates dereinst „leidlich“ auf Englisch verständigt und dadurch vermeintlich in unendliche Friedfertigkeit verfällt, die ihnen ihre Nationalstaaten zuvor verwehrten.

Ein englischer Verwandter des Autors wunderte sich bei einem Deutschland-Besuch, dass an Eingangsschildern zu pfälzischen Weingütern „open“ geschrieben stand und deutete das als Sprachverlust.

Interessant sei auch, dass sich die auf ihre Kreativität so stolze Werbesprache ganz besonders unterwerfe.

Es sei sehr zweifelhaft, wenn behauptet werde, dass kein Verdrängen stattfände, weil ja das Shoppen nicht mit dem Einkaufen zu verwechseln sei, weil es eigentlich einen „Lustkauf“ bezeichne. Wissen das die Wortnutzer?

Jetzt soll die Welt nicht mehr am deutschen (Un-)Wesen genesen, sondern eher daran, dass wir kein (Sprach-)Wesen mehr haben, was eine neue Form der Selbstüberschätzung sein könnte.

Der Kampf gegen Wertungen kann nämlich selbst zu einer Wertung führen.

Leicht zu werten dürfte derweil das lustige Stellengesuch auf der Seite 52 sein, wo auf einer Karikatur „Unser Human-Resources-Department“ einen Operator, einen Finisher, einen Publisher und einen Customer Relationship-Manager sucht, der selbstverständlich auch fließend deutschsprachig sein muss. Wer hätte das gedacht?

Der Autor regt eine Umfrage unter Germanisten an, ob ihnen die Abschaffung der deutschen Sprache gleichgültig wäre, wenn zugleich sichergestellt sei, dass das Grundgesetz, in welchem ihr Schutz nicht aufgenommen wurde, ins Englische übertragen würde.

Das ist schwarzer Humor vom Allerfeinsten!

Auf ins „Globalesisch“!

Ähnlich auch die Anmerkung, dass anstelle des Ehrgeizes, eine Kultursprache zu beherrschen und ihr vielleicht noch weitere, wie Französisch, Spanisch oder Schwedisch hinzuzufügen, die Absicht getreten sei, als erste in „Globalesisch“ aufzugehen.

Die denglische „Zweisprachigkeit“ als „Firewall“ gegen das böse Nationale.

Das Problem sei nicht, dass das Englische dort angewandt würde, wo es keine Entsprechung im Deutschen gebe, sondern ganz im Gegenteil vornehmlich dort, wo dies eigentlich nicht vonnöten sei.

Englische Begriffe seien auch als Vereinfachung nicht immer kürzer, wie sich etwa bei Destination und Ziel nachweisen lasse.

Auch der Ersatz des Wortes Gesundheit, durch das kaum zu artikulierende health, mache wenig Sinn.

Allerdings könne man noch die hässlichste Fabrik zur „factory“ aufwerten, während in einem Bericht über Schweden, wo man Wert auf sprachliche Eigenständigkeit legt, die Frage gestellt wurde, ob man dort die internationale Verständigung sabotieren wolle.

Nachdem der One-Night-Stand den Seitensprung zur Freizeitdisziplin erhoben habe, der Mangel an Mut mit „keine Eier haben“ übersetzt wird, das „heiße Girl“ im Sinne von „hot“ wenigstens wörtlich übersetzt ist, bleiben uns noch Titten, der Blow-Job, das curvy model oder tolerante Milfs, die man mit etwas Glück „nageln“ kann, was das eher höfisch klingende Begatten ersetzt, aber verständlich bleibt.

Nicht die deutsche Sprache, aber die deutsche Seele bedarf des Englischen, meint Michael Rumpf.

„Twittern“ (zwitschern) ist auch irgendwie netter als Kurzmitteilungen. Irgendwie!

Der Stalker hat (noch) keinen Eingang in die Juristensprache gefunden. Das StGB spricht von Nachstellungen.

Ziemlich „strange“ kommt ein „Biopic“ daher, ein Film über eine historische Persönlichkeit.

Das Gegenmittel zum Alltäglichen ist die Flucht ins Englisch. Wenn uns etwas nicht gefällt, dann hassen wir es und jedes Bemühen wird zum Fighten.

Das Bemühen nach Pathos, das zu kurz kommt, muss sich mit der Rekordlust trösten. Das ist dann optimal oder anders herum auch suboptimal.

Eine bedrohte Tierart löse in Deutschland mehr Erhaltungswillen aus als die eigene Sprache.

Es gebe in Deutschland halt kein „kleines gallisches Dorf“. Es gehe die Saat auf, wo in den 70er Jahren eine Herabsetzung der Hochsprache inszeniert wurde, die man als Unterdrückungsinstrument entlarvt hatte.
Progressives Denken sei in Deutschland nach dem Verlust der Arbeiterschaft(7) tendenziell germanophob.

Englisch wird zum Deutsch in Premiumausgabe.

Die Deutschen grusele es wohl schon vor der Vorstellung eines Nationalcharakters, womit sie ein Volk von Anpassern bleiben, von dem Churchill gesagt hatte, man habe sie entweder auf den Knien oder an der Gurgel.

Die Nibelungen-Spiele in Worms werben währenddessen schon mal mit „born to die“ und in der Empathie wird die Einfühlung wieder gesellschaftsfähig.

Statt Freunden sammelt man friends und follower oder besser noch fans um sich und fährt ein Auto „sponsored by grandpa (oder grandma natürlich).

Sogar eine Fahrrad-Pedale kann man jetzt upgraden. Dass wir das noch erleben durften!

Der Begriff „cool“ ist derzeit allerdings schwer zu ersetzen. Er hat den gleichen Stellenwert wie „geil“, weil bekanntlich alles cool oder geil sein kann und vermutlich sind die coolsten Sachen auch besonders geil. Oder?

Die Sprachgemeinschaft zerfällt in Interessen- und Altersgruppen.

Der Autor hat eine äußerst subtile und kenntnisreiche Sicht auf Herkunft, Anwendung und assoziative Veränderungen von Worten und Begriffen, im Umfeld einer Sprachveränderung, die er nicht als linguistische Logik identifiziert, sondern als eine (bisweilen auch dünkelhafte) Form von selbstvergessener Unterwerfung.

Muttersprachliche Korrektheit werde allenfalls noch mit dem Argument beworben, man müsse halt auch an die Alten denken.

Ein Strumpfstand auf dem Wurstmarkt in Bad-Dürkheim, hatte seine Ware mit „socks“ angepriesen. Die potenziellen Käuferinnen und Käufer reden aber pfälzisch! Noch!

In der Tat könnte sich die deutsche Sprache in einer Weise anglifizieren, wie man es derzeit nicht für möglich hält.

Vielleicht ist das dann die unvermeidliche Begleitmusik zu einem hybridisierten EU-Gesamtstaat mit zentraler Brüssel-Administration, in einer Gesellschaft mit (bedingt durch die islamische Sharia) unterschiedlicher Rechtsprechung und ganzen Stadt-Arealen mit anderen Sprachen, Dialekten, und kulturellen Lebenswelten als „originelle Besonderheiten“ einer bunten Gesellschaft.

Die Verdrängung der deutschen Sprache wäre dabei nur ein, wenngleich bedeutender Teil jener romantischen bunten Zukunftsgesellschaft ohne Nationalstaaten, nationalen Sprachen, nationalen Verfassungen und ergo auch ohne ein anwendbares nationales Recht.

Sowas kann man wollen (wie linksgrün), man kann teilnahmslos einer solchen Entwicklung zusehen (was die Haltung einer Mehrheit beschreibt) oder man kann es zu verhindern versuchen.

Ein Buch wie dieses ist wertvoll, weil es in aufwändiger Kleinarbeit des Autors an einer großen Zahl von Beispielen den Stand der Dinge deutlich werden lässt.

Der ist bei aller Heiterkeit, die sich lesend gelegentlich vermittelt, aber eher und leider eine ernste Sache, zumindest für diejenigen, denen Sprachbewusstsein als Kulturbewusstsein bedeutsam ist.

Das sagt zugleich nichts gegen ein „Experimentierfeld Sprache“, wo man um eigene, auch neue Wortfindungen bemüht wäre, sehr wohl aber etwas gegen die Kolonialisierung der Sprache, als Ausdruck einer das nationale Selbstbewusstsein beschädigenden Schuldkultur.

Unterwerfung sei kein vernünftiger Schritt in die Richtung einer Völkerverständigung und anpassen kann man elektrische Schaltungen, Gewindegrößen, Lagerkenndaten und andere technische Details, eine Sprache aber nicht, zumindest nicht als ein Hybrid-Konstrukt.

Wenn an Weihnachten Jingle Bells ertönt und aus Christmas noch Xmas geworden ist, dann dauert es nicht mehr lange, bis wir uns ein happy new year wünschen oder gleich alles zusammen als Seasons Greetings verpacken.

Nach den Feiertagen machen wir dann ein „changing presents“, damit wir uns von dem befreien, was wir eigentlich nicht brauchen.

Der Autor bekundet Unsicherheit darüber, ob Heinrich Heine heute noch dichten würde und er beschließt dieses interessante Buch mit einer Ode an die deutsche Sprache aus der Feder des argentinischen Schriftstellers und Dichters Jorge Luis Borges (1899 – 1986).

Vielleicht bedarf es einer in diesem Falle sehr bewegenden Außensicht auf dieses Land und seine Sprache, damit sich eine Wertschätzung vermittelt, zu der es aus eigener Kraft nicht mehr fähig scheint.

Michael Rumpf
Mein Jahr mit der deutschen Sprache 2003

Basilisken-Presse-Verlag


Anhang/Literaturhinweise:

  1. Verband deutscher Schriftsteller / Interessenvertretung professioneller Autoren / gegründet am 08 06.69 mit Unterstützung v. Günter Grass, Heinrich Böll und Martin Walser als Zusammenschluss der Bundesvereinigung der deutschen Schriftstellerverbände, des Verbandes deutscher Übersetzer und des Verbandes deutscher Kritiker.
  2. Georg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799) war ein Mathematiker, Physiker, Naturforscher und Schriftsteller, sowie der erste deutsche Professor für Experimentalphysik im Zeitalter der Aufklärung. Zugleich gilt er als der Begründer des deutschsprachigen Aphorismus. Bekannt sind vor allem seine Streitschriften, Sudelbücher, Briefe und Essays, sowie zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten.
    Ihm wurden viele internationale Würdigungen zuteil und er gilt als ein universeller Denker der Aufklärung.
  3. Rolf Hochhuth: Kasseler Rede anlässlich der Verleihung des Jacob Grimme Preises 2001 für Publizistik und politische Rede. Rolf Hochhuth gilt als bedeutender deutscher Dramatiker (Der Stellvertreter) und Verfechter des Dokumentartheaters. Seine literarische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus war mit der Forderung einer moralischen Erneuerung verbunden.
  4. Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781) war ein bedeutender Dichter der deutschen Aufklärung. Dramen und theoretische Schriften / Verfechter des Toleranzgedankens. Besonders bekannt wurde er durch seine Theaterstücke Nathan der Weise, Emilia Galotti und Minna von Bernheim.
  5. Heinrich von Stephan (1831 – 1897) war ein deutscher Generalpostdirektor des Deutschen Reichees und Mitbegründer des Weltpostvereins, Kaiserlicher Geheimrat, Staatssekretär des Reichspostamtes und Königlich-Preußischer Staatsminister. Er war Mitglied des Preußischen Staatsrates und des Preußischen Herrenhauses, sowie Domherr von Merseburg. Besondere Bedeutung erlangte er als Sprachpfleger. Die Reichspost überwand unter ihm die territoriale Zersplitterung und wurde zu einem Kommunikationszentrum nie gekannten Ausmaßes ausgebaut.
  6. Konrad Koch (1846 – 1911) war ein deutscher Lehrer für Deutsch und alte Sprachen. Er gilt als derjenige, der 1874 in Deutschland das Fußballspiel eingeführt hat und hierfür 1875 das erste Regelwerk in deutscher Sprache verfasste.
  7. Die Anmerkung des Autors zum „Verlust der Arbeiterschaft“, bezieht sich wohl auf den Verlust der Gefolgschaft der Arbeiterschaft zumindest für die politische Linke. Dadurch entwickelten sich (für die Linke) neue (Ersatz-) Problemfelder vor allem im Bereich des Minderheiten- und Umweltschutzes, sowie aktuell in der sog. Flüchtlingsfrage, welche dabei moralisch aufgeladen wird.