Buchrezension - Faktum Magazin

Egon Flaig
Was Nottut
Eine Rezension von Michael Mansion

Im norddeutschen Dialekt wird gelegentlich gefragt: „Tut dat not“?
Das will so viel heißen wie: Muss das jetzt sein oder ist das nötig?
Bei dem Althistoriker Prof. Egon Flaig ist es umgekehrt; denn er stellt keine Frage, sondern er versucht in seinem Buch „Was nottut“ vor aktuellem politischen Hintergrund zu sagen, was seiner Meinung nach wichtig und nötig ist.

Er diagnostiziert eine selbstzerstörerische Krise Europas im Spannungsfeld zwischen globalistischem Anspruch und moralisierendem Humanitarismus.

Der im besten Sinne konservative Wissenschaftler sieht das kollektive Gedächtnis beschädigt und mahnt zum Erhalt von in Generationen erkämpften Errungenschaften, die wir sehr schnell auch verlieren können, wenn wir den republikanischen Staat an eine vermeintlich tolerante Beliebigkeit preisgeben.

Flaigs Engagement versteht sich als praxisorientierte Aufgabe, welche Wissenschaftlichkeit als fortgesetzte Aufklärung verstanden wissen will. Er sucht dabei eine Antwort auf die Frage, was man heute unter einem fortschrittlichen Konservativen zu verstehen hätte. Schließlich ist dieser Begriff ja auch negativ besetzt, wenn ihm das Synonym für Unbeweglichkeit unterstellt wird (hierzu auch E. Flaigs weitere Publikationen am Ende).

Ein Schadensbegrenzer könnte er sein, meint er im Vorwort. Jemand, der nach einer Substanz sucht, die verloren gegangen scheint und wo bedrückende Ereignisse der Ausdruck einer offenbar kranken politischen Kultur sind, die das Gemeinwohl aus den Augen verloren hat und einer dubiosen Grenzenlosigkeit das Wort redet.
Zugleich ist die Öffentlichkeit als ein kontroverser Denkraum des Diskutierens beschädigt.

Der Autor empfiehlt hier das Zurückstellen fundamental-kulturkritischer Ansichten zugunsten eines Nachdenkens im Raum der politischen Kultur, in dem es immerhin die Möglichkeit einer Verlierbarkeit aller Dinge gibt, die das Leben lebenswert machen.

Wenn die Maßstäbe verloren gehen, verliert eine Gesellschaft die Orientierung.

Zugleich steht der Autor für eine klare Abgrenzung von dem, was er unter reaktionärem Denken versteht. Er duldet keine Rückkehr hinter ein liberal-demokratisch-republikanisches Denken und keine Sehnsucht nach einer Wiederherstellung hierarchisch-vormoderner „Ordnungen“.

Demokratie, wissenschaftliche Wahrheit und die Menschenrechte (als regulative Idee) seien eine nicht zu hinterfragende Richtlinie.

Flaig will hier den Stand von 1789 als ein logisches Zentrum und geschichtsphilosophisches Herz verstanden wissen. Ein liberales Rechtsverständnis, die Sorge um den sozialen Zusammenhalt und das konservative Bemühen um einen kulturell-moralischen Kontext der Gesellschaft seien essentiell, damit Demokratie funktionieren kann.

Hier offenbart sich eine Dreiklangthese, die an das britische Demokratieverständnis (Conservativ, Liberal and Labour) erinnert. Ein moderner Konservatismus müsse sein Verhältnis zur Aufklärung auf eine neue Basis stellen. Den möglichen Vorwurf, er sei Teil der Gegenaufklärung, hält der Autor für fatal.

Es gehe hier um eine doppelte Abgrenzung. Einmal in der reaktionären Form einer Feindschaft gegen sie (die Aufklärung), jedoch zugleich „gegen eine anarchistisch-gnostische Reduktion, wie sie Heidegger, Scholem, Benjamin und Adorno – lediglich korrigiert durch Habermas – betrieben hätten“. Abträglich sei zudem eine naiv rückhaltlose Aufklärung, worauf E. Burke, A. De Tocqueville, J. Burckhardt und A. Gehlen verwiesen hätten und „woran wir ablesen könnten, ob die Aufklärung wieder einmal Amok läuft oder ihrem weltgeschichtlichen Zweck treu bleibt“.

Das hinterlässt spätestens beim „weltgeschichtlichen Zweck“ ein großes Fragezeichen, weil die Frage unbeantwortet bleibt, wer diesen Zweck so exakt definieren will und ob es einen solchen überhaupt gibt. Wenn fortgesetzte Aufklärung selbst als Zweck erkannt wird, dann müsste anerkannt werden, dass die gewonnenen (neuen) Erkenntnisse nicht widerstandslos Gemeinwohl werden können. Der Widerstand der Widerlegten ist unvermeidlich und trägt bisweilen despotische Züge, die durchaus den Charakter eines Amok-Laufes annehmen können.

Für etwas Verwirrung sorgt der Autor auch mit dem Hinweis auf die kulturelle Errungenschaft der autonomen politischen Sphäre, als mit der republikanischen Organisationsform verbunden. Sie ist sicher unbestritten, aber wir erleben sie doch gerade als im negativen Sinne autonom und von der Basis abgehoben, in höchst befremdlicher Interaktion mit sich selbst.

Es sei wichtig, dass der Staat als agierende Instanz (notfalls auch autoritär) für eine Verteidigung des Politischen einstehen muss. Hier sieht er (ansonsten) die Gefahr einer von ihm als anarchistisch gedeuteten Selbstauflösung in neuen Rechtsräumen, wo das staatliche Recht nicht mehr greift. Er macht dort eine Schwäche des Liberalismus aus, der solche Tendenzen nicht erkennt.

Eine Auflösung (der Republik) würde den Liberalismus im Kern vernichten. Er würde in einen radikalen Individualismus hobbesianischer Art münden. Es gelte, eine Überforderung staatlichen Handelns zu vermeiden. Die Reichweite der Politik sei auf kluge Weise zu begrenzen, was der Autor einem (klugen) Konservatismus überantworten möchte, womit er ihm (gewollt oder ungewollt) viel Weisheit unterstellt.

Hierarchien seien derweil nicht naturgegeben und Eliten nicht naturwüchsig. Die nicht naturgegebene Herr und Knecht-Situation, sei für republikanische Konservative ein klares Bekenntnis und die Bann-Grenze zu protofaschistischem Gedankengut. Die meist selbst ernannten „Weisen“ stünden allenfalls für eine Expertokratie, die mit moralischen Prinzipien argumentiert.

Der Konservatismus darf die Idee der Gerechtigkeit nicht aufgeben.

Dabei müssen sich Leistungsgerechtigkeit und Verteilungsgerechtigkeit einander ergänzen. Es gelte, eine „Dialektik der Gerechtigkeit“ zu schöpfen und sie in die Diskussion mit liberalen und linken Demokraten einzuspeisen.

Hier distanziert sich der Autor ganz klar von den Konservativen, für die ein Bekenntnis zur politischen Linken den Gesprächsfaden abreißen lässt. Dies wird ganz deutlich dort, wo er den Freiheitsbegriff gegen jede reaktionäre Herabwürdigung verteidigt, jedoch unmissverständlich darauf verweist, dass die Linke diesen nicht in Erbpacht verwaltet.

Dass er die politische Freiheit der individuellen Freiheit nicht untergeordnet wissen will, scheint zunächst verständlich, aber hier berührt er ein gesellschaftliches Dilemma, welches er an der (hierzu) unterschiedlichen Haltung von Aristoteles und Hobbes fest macht und er warnt vor einem liberalen Missverständnis, welches bereit ist, die individuelle Freiheit über die politische zu stellen.

Damit verschwindet der Staatsbürger und übrig bleibt der freie Untertan.

Dieser „freie Untertan“ sei unfähig, die Demokratie zu bewahren.

Die Gelehrten des Verfassungsrechts hätten mittlerweile damit begonnen, die Anspruchslosigkeit des liberalen Staates zu rühmen. Der Liberalismus müsse – konservativ korrigiert – dahin finden, sein „neutralistisches Selbstmissverständnis“ (Wolfgang Kersting) aufzugeben. Das Freiheitsgut des Grundgesetzes sei nicht so zu verstehen, als ob es sich verbiete, den Staatsbürger in Anspruch zu nehmen, was zugleich der Garant für ein funktionierendes Gemeinwohl ist.

Demokratie, als Form einer maximalen Partizipation an den kollektiven Entscheidungen, sei berechtigt, „die Bürger zu zivisch verantwortlichen Individuen zu erziehen“. Eine Demokratie müsse von ihren Bürgern auch Opfer verlangen dürfen. Das könnte in der aktuellen Debatte heftigen Streit auslösen, ist doch ein gehöriger Teil aktueller Kritik einem „Erziehungsstaat“ geschuldet, der sich anmaßt, das Falsche in den Rang des Richtigen zu erheben und Referenz einfordert.

Eine breite Diskussion über die maßgeblichen Werte müsse geführt werden und eine Alltoleranz sei der schlimmste moralische Tod jeder Kultur, weil ihre Beliebigkeit zur Wehrlosigkeit führe, was sie (früher oder später) kollabieren lässt. Der Begriff der Feindschaft sei dabei unverzichtbar, weil es für die Kulturen unmöglich sei, Werte zu akzeptieren, die sich mit der eigenen Existenz nicht vertragen (Claude Lévi-Strauss).

Der abendländischen Kultur drohe die finale Zerstörung von drei Seiten.

  • Erstens die religiöse Zerstörung der politischen Sphäre.
  • Zweitens befördere auch der Globalismus die Staatsauflösung und
  • drittens betreibe eine apokalyptische Linke eine radikale Negierung der historischen und klimatischen Realität.

Den schlimmsten Feind im 21. Jahrhundert sieht der Autor jedoch im Sharia-Islam und er zitiert den Staatsrechtler Ernst Wolfgang Bockenförde mit dessen Hinweis auf eine notwendige Selbstverteidigung des säkularen Staates. Dies verlange, die integrationsunwilligen Muslime in einer Minderheitenposition zu halten.

Flaig wehrt sich gegen das Mantra, wir lebten in einer christlich-jüdischen Kultur.

Sie sei christlich-antik und in diesem antiken Sinne mehr griechisch als christlich. Christlich-Jüdisch sei ein Kampfbegriff gegen die Aufklärung. Das Christentum habe sich in einen globalistischen Humanitarismus verwandelt. Wir hätten dem Christentum durchaus einiges zu verdanken, meint der Autor, aber das aktuelle Ideologem einer Allversöhnung sei ein fatales Signal.

Es sei eine konservative Herausforderung, eine Wiederherstellung von Öffentlichkeit als existentielle Konsequenz von Freiheit wieder zum Bewusstsein zu bringen und der generalisierten Verantwortungslosigkeit entgegenzutreten. An dieser Stelle kritisiert der Autor auch ein Strafrecht, welches durch psychologische Argumente die Schuldfähigkeit unterminiert, was logischerweise zur Folge haben müsste, dass der eingeschränkten Schuldfähigkeit eine eingeschränkte Mündigkeit zuzuordnen wäre.

Kritisch sieht er auch politisch instrumentalisierte Kinderaufmärsche als im Grunde typisch für totalitäre Staaten. Die Behandlung Unmündiger als politische Subjekte, infantilisiere die Politik und wird die politische Kultur emotional aufheizen. Wenn der moderne sog. „kritische Unterricht“ Geschichte enthistorisiert und moralisiert, dann produziert ein solches Bildungsmodell eine glaubensgestützte Gesinnung. Es entsteht eine säkulare Religion, die sich von der Wahrheit losgesagt hat.

Ein Eintreten für das reale kulturelle Erbe, bestehend aus Artefakten, Bauwerken, Techniken, Wissenschaftlichkeit, Institutionen und kommunikativer Routine, vermittelt dagegen eine wirkliche politische Identität. Kultureller Reichtum als Erbe, sei „geronnene Arbeit und Mühe“ von Generation zu Generation.

Ein ausschließlich negativer Bezug zur Vergangenheit, verhindere jegliche Dankbarkeit gegenüber vorangegangenen Generationen und verkehrt sie in Ablehnung. Konservatives Denken komme nicht darum herum, ein humanistisches Menschenbild zu reaktualisieren. Das pädagogische Ideal des selbstbestimmten Menschen sei auf klassische Weise zu definieren, indem man Selbstbestimmung als Resultat des Wachsens an Pflichten definiere. Dies sei auch vor dem Hintergrund einer digital-zentrierten Eindimensionalität vonnöten, zu der künftige Generationen verdammt seien. Der Bürger – reduziert zum Verfassungssubjekt – verliert seine demokratische Legitimität. Die Demokratie und Gemeinwohl konstituierenden Subjekte werden zur Bevölkerung.

I. Ohne Gemeinwohl und ohne Opferbereitschaft keine Demokratie.

Der gesellschaftliche consens omnium bestehe aus gemeinsamer Sprache, Kulturbewusstsein, Tradition, Abstammung, Verfassungsvorstellungen, Übereinstimmung im ökonomischen Verhalten und eingeschliffenen Verhaltensweisen im politischen Alltag.

Ernst Fraenkel spricht hier von einem originären und genuinen Gesamtwillen und Flaig fügt hinzu, die Rechtsphilosophie der Zwischenkriegszeit habe dies als Homogenität bezeichnet.
Das ist für ihn in der aktuellen Auseinandersetzung ein unverzichtbarer Aspekt, wohl wissend, dass er sich damit angreifbar macht, denn es ist gerade dieser Homogenitätsbegriff, der medial (im schlimmsten Falle) in den Anruch des Rassismus gesetzt wird.

Die Gegenfrage wäre ja: Wie inhomogen dürfen Volksgemeinschaften denn sein, um dennoch imstande zu sein, ein republikanisch konstituiertes Gemeinwohl zu generieren?
Bei den genannten (erforderlichen) Gemeinsamkeiten geht es nicht um Natur oder Biologie, sondern um die Kultur eines „Wir“-Bewusstseins.

Der Autor zitiert auch Hermann Heller, der „einen gewissen Grad an Homogenität“ einfordert, da sonst eine demokratische Einheitsbildung nicht möglich sei. Er spricht von einer relativ hohen Angeglichenheit, die große Spannungsgegensätze (auf anderem Gebiet) zu verdauen imstande sei. Es geht um eine erkennbare Wertegemeinschaft.

Der Homogenitätsbegriff sei vor allem dort ein Ärgernis, wo der Liberalismus auf unsicher gewordenem republikanischem Boden steht. Auch Carl Schmitt habe den Homogenitätsbegriff 1928 ohne jeden völkischen Gehalt definiert, sprach jedoch 1935 in einem anderen Zusammenhang von „völkischer Substanz“. Das sei – so der Autor – offensichtlich einer der Anlässe, den Begriff der Homogenität grundsätzlich unter völkischen Verdacht zu stellen, was dazu führt, Geschichtsbewusstsein, Sprache und Kultur, nicht mehr im Sinne einer grundlegenden Gemeinsamkeit begreifen zu wollen.

Daraus ergibt sich notwendigerweise die Eliminierung des Staatsvolkes und des (damit verbundenen) Mehrheitsprinzips.

II. Wie die „Kritische Theorie“ der Demokratie geschadet hat.

Bezogen auf die „Kritische Theorie“ hat der Autor ein sichtbares Problem mit dem/einem emanzipatorischen Element der Befreiung vom Staat, als einer nicht nur ordnenden, sondern auch repressiven Gestalt.

Das Staatswesen ist jedoch zwigesichtig und für die sich politisch links verortenden „Frankfurter“ war nach dem 2. Weltkrieg die Staatskritik eine Kritik an der Restauration. Der Streitpunkt ist bei Flaig das Opfer als ein zentraler Dreh und Angelpunkt einer Verteidigung des „Wir“ des „Republikanischen“, was hinsichtlich der Staatskritik nicht im primären Blickfeld der „Frankfurter“ lag, wo sie (auch) ein begründbares Recht auf Verweigerung verwirklicht wissen wollten. Hier eine (verkürzt) antirepublikanische Sicht oder Einstellung unterstellen zu wollen, welche die Kriegsunfähigkeit in den postmodernen Demokratien forciert habe, ist für einen Althistoriker in der Nachschau verständlich. Es vereinfacht aber die höchst prekäre Nachkriegssituation gleich auf mehreren Ebenen.

Auch erschließt sich nicht, warum die „Frankfurter“ angeblich außerstande waren, ein Gemeinwohl konsistent zu definieren, sahen sie dieses doch in der kritischen Gesellschaftstheorie als ein zerrissenes, zu objektiv republikanischem Sein noch unfähiges Konstrukt.

Welche Opferbereitschaft (außer der/einer kriegerischen), könnte im Bereich einer Negation durch die „Frankfurter“ denn noch gemeint sein?

Zwei Nachkriegsgenerationen haben sich in der Kohle und Stahl-basierten Arbeitswelt geschunden und einen Wohlstand geschaffen, der heute noch nachhallt. War das kein Opfer und wer hat es in Frage gestellt? Hatte das keinen hohen Grad von Identifizierung zur Folge und ein füreinander eintreten?

Niemand hat das Opfer aus dem Gemeinwesen eliminiert. Es ist täglich zu besichtigen, bei schwerer und unterbezahlter Arbeit, bei der Pflege der Angehörigen, bei der Bereitschaft Verantwortung (ja,-auch politische) zu übernehmen, bei den Rettungsdiensten und bei der Bereitschaft des Verzichts zugunsten eines höher befundenen Wertes. Zugleich steigt aber das gesellschaftliche (technikbasierte) Tempo und Tendenzen von Entfremdung nehmen zu, was auch einer dynamischen Verrechtlichung der zwischenmenschlichen Beziehungen geschuldet ist, hinter der sich – wie der Autor anmerkt – Gruppeninteressen verbergen.

Anzumerken wäre aber auch jener dekadente Narzissmus, der sich – liberal gewandet – mit einer massiven Verteilungsungerechtigkeit längst arrangiert hat und die als „freie Marktwirtschaft“ vergoldet. Dass der Staat seine Legitimation „selbstgenügsam“ als Methode demokratischen Verfahrens (Habermas) interpretiere, ist doch im Hinblick auf mangelnde Bürger-Beteiligung durchaus kritisch und nicht statisch zu verstehen und dass sich Volkssouveränität nicht alleine durch Wahlen ausdrückt, ist auch kein Novum, aber wo bitte haben sich Habermas & Co gegen Wahlen ausgesprochen?

Dass sich nur der Souverän eine Verfassung gibt und geben kann, ist dabei bedeutsam, erleben wir doch gerade, dass die EU die Nationalstaaten „überwinden“ will. Einen verfassungsgebenden Souverän gibt es dann aber nicht, weil es kein europäisches Gesamtvolk gibt.

Was sollen denn Wahlen in einer solchen Situation? Unter diesen Umständen machen sie wirklich keinen Sinn.

Das vom Autor berechtigt kritisierte zunehmend autokratische (Durch-) Regieren, speist sich vermutlich aus mehr, als aus einer „vollständig rechtlich geronnenen“ Verfassung und reflektiert die moralisierende Arroganz dekadenter Herrschaftseliten. „Regelmäßige Volksbefragungen (siehe Schweiz) schafften ein Gegengewicht gegen eine Entparlamentarisierung“. Das könnte man sich vorstellen und wäre ein Weg von der repräsentativen zur teilhabenden Demokratie.

Ob und wie lange die Dauer von Mehrheitsentscheidungen währt, wird aktuell von Lobbygruppen entschieden. Diese Erkenntnis bedarf jedoch keiner „Kritischen Theorie“, da sie sich pragmatisch erschließt. Dass die normativen und wertegeleiteten Einstellungen der Bürger für Akzeptabilität stehen ist wohl richtig, aber dem wäre hinzuzufügen, dass (erwünschte) Akzeptanz heute ein Vorspiel in den „Qualitätsmedien“ hat, was dort täglich zu besichtigen ist.

Die Blauäugigkeit (nicht nur von Habermas) hinsichtlich der muslimischen Einwanderung und „dem zu erfüllenden Verfassungsprojekt“, ist einer Sicht geschuldet, welche einen seltsamen Integrations-Automatismus unterstellt, fernab jeder adäquaten Auseinandersetzung mit dem Phänomen Islam. Wenn sich – so der Autor – Verfassungsprinzipien nur noch vor dem Horizont einer spezivischen politischen Kultur interpretieren lassen, dann haben wir gleich mehrere (unüberwindbare) Probleme.

Der Hinweis auf eine „eigene Kultur des Rechtssystems“ , in dessen Rahmen sich Juristen zunehmend angewöhnen, EU-Vertragsrecht so zu behandeln, als habe es Verfassungsrang, ist in der Tat brisant. Hier speist sich das Rechtssystem nämlich nicht mehr aus der Gesetzgebung souveräner Völker, sondern die Volkssouveränität wird entlegitimiert. Hier hilft auch kein Verfassungspatriotismus mehr weiter.

Flaig gesteht Habermas zu, erkannt zu haben, dass ein Zusammenleben in einer demokratischen Verfassung nicht in einem täglich neuen „Aushandeln“des Gesellschaftsvertrages bestehen kann und dass eine politische Integration fundamentalistische Einwandererkulturen ausschließen muss. Das stimmt versöhnlich, wäre da nicht ein (unvermeidliches?) Nachhaken, wenn unterstellt wird, die „Kritische Theorie“ habe eifrig dabei mitgewirkt, jene kulturellen Bestände zu entwerten, die eine Kultur stabil zu halten vermögen.

Habermas zuvorderst habe sich von der klassischen Bildung verabschiedet und zur planmäßigen Installation von Unbildung (?) beigetragen, weil er sich der Tradition nicht verpflichtet fühlt. Das muss man nicht so sehen—-kann man aber wenn man unbedingt will. Bei so viel angerichtetem Schaden der „Frankfurter“ stellt sich die Frage, wer an ihnen (lesend) so erfolgreich partizipierte, dass daraus jene Unbildung entstehen konnte, welche der Autor kritisiert.

III. Warum Grenzen notwendig sind für Demokratien

Der staatliche Zusammenhalt kennt die Trias von Georg Jellinek, wonach es ein Territorium (Staatsgebiet), ein Staatsvolk und eine organisierte politische Macht geben muss. Verliert der Staat die Hoheit über seine Grenzen, dann hört das Staatsvolk auf zu existieren.
Der Autor beklagt mit Recht, bei solcher Einsicht als Nationalist abgestempelt zu werden.

Die multikulturelle Weltgesellschaft als neoliberaler Globalismus, welcher die Nationalstaaten „überwinden“ will, müsste doch eigentlich den Protest von Links hervorrufen. Das tut er aber nicht, weil hier ein „Universalismus eigener Art“ agiert, der sich die Krone der Weltoffenheit aufgesetzt hat und wie eine fröhliche Tourismus-Börse mit ihren Unterabteilungen bei der UN, der UNESCO und diversen NGO´s in einer „Davos-Welt“ zu Hause ist, welche eine überstaatliche Kontrolle übernommen hat. Staatliche Souveränität gilt als Illusion, die man hinter sich lassen muss (P. Sutherland) und Grenzen seien veraltet.

Vor dem britischen Oberhaus hatte Sutherland am 21.06. 2012 ausgeführt, die EU müsse ihren Sinn für Homogenität und einer Verschiedenheit von anderen „verbannen“ und der ehemalige Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso, forderte am 04.10.2015 in Wien, man solle den Nationalstaaten die Einwanderungspolitik aus der Hand nehmen.

Warum der Autor dann zu der Marx-Schelte gelangt, die Verbreiter solcher Anliegen reduzierten den Menschen (wie angeblich Marx) auf ein radikal sozioökonomisches Wesen, erschließt sich vor allem deshalb nicht, weil diese EU-Agenda einen geplanten nationalen Kontrollverlust und damit vor allem einen Verlust individuell staatlich verfasster und garantierter Arbeitnehmerrechte zum Ziel hat. Marx als posthumer Begrüßungsaugust des kapitalistischen Globalismus — eher nicht!

Der kapitalistische Internationalismus habe den proletarischen nicht nur überlebt, sondern auch überholt meint Flaig. Eine Einsicht, zu der Marx heute mit Sicherheit auch gelangt wäre.
Indem auf „Weltordnung“ verwiesen werde, gehe es um die Entlegitimierung der Parlamente.

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sei eine Organisation, welche die Grenzen Europas aufweicht und außer Kraft setzt. So habe dieser z.B. den Begriff der „unmenschlichen Behandlung“ so ausgedehnt, dass sich prekäre Verhältnisse als Fluchtursachen ohne Abschieberecht legitimieren.

Der sog. Menschenrechtsrat der UN „sei besetzt von Antisemiten und notorischen Verächtern der Menschenrechte“ und offenbar in der Lage, einem autonomen Staat das Recht abzuerkennen, seine Grenzen gegen Eindringlinge zu schützen. Die Vision der Grenzenlosigkeit habe in der EU epidemisch zugenommen und eine Organisation wie Frontex sei zu einer Agentur geworden, die mithilft, das Geschäft der Schlepper zu vollenden.

Die europäischen Grenzen werden als feindlich definiert.

„Es gibt eine moralisierende Hegemonie gegen das Gebot der Staatlichkeit“!

Sogar das Rechtssystem sei zum Widersacher des demokratischen Staates geworden. Ein Großteil der Jurisprudenz gefalle sich in kritischer Staatsfeindschaft.

Der ermordete hessische Regierungspräsident Walter Lübke habe mit seiner Äußerung vom 14.10.2015, wonach man jederzeit das Land verlassen könne, wenn man mit den Werten (der Kanzlerin?) nicht einverstanden sei, mit den Bürgerrechten gespielt. Es sei (auch) politischer Extremismus, jemandem nahe zu legen das Land zu verlassen, wenn man „mit etwas“ nicht einverstanden ist. Das heißt nämlich auch, den Diskurs gar nicht erst zuzulassen.

Die (juristisch nicht zur Anklage gebrachte) Politik von A. Merkel, hat die EU auf vorhersehbare Weise erpressbar gemacht und dies vor allem gegenüber der Türkei.

Nicht mehr gewollte Verträge sind indes kündbar, wie der Brexit anschaulich gezeigt hat. EU-Verträge sind kein Verfassungsrecht. Nach Ansicht des Verfassungsrechtlers Dieter Grimm sind die EU-Mitgliedsstaaten zwar noch Herren der Verträge, aber nicht mehr Herren des auf ihrem Territorium anwendbaren Rechts. Dies – so der Autor – habe Habitus und Denkweise der politischen Klasse deformiert.

Ein Staat könne nicht das Zusammenleben von Menschen organisieren, die miteinander nichts zu tun haben und keine Solidarität miteinander zu organisieren bereit und imstande sind.
Die globalistische Ideologie verabschiede sich vom Republikanismus und der Kulturbestimmtheit des Menschen. Der Rechtsgelehrte Rolf Gravert unterstellt gar, es gebe in Deutschland kein Staatsvolk, sondern einen „faktischen Multikulturalismus“, der die Gesellschaft in Minderheiten gliedere, deren eine die angesessene Mehrheitsbevölkerung (noch) ist.

Der Autor fragt, welchen Preis die europäische Kultur zu zahlen hätte, wenn nicht nur der Begriff der Homogenität ausgemustert würde, sondern obendrein die homogenisierenden Kräfte erlahmen? Ohne Pessimist zu sein könnte man antworten, dass dies prozesshaft längst im Gange ist.

Demokratie muss sich nicht zwingend mit Gebrüll verabschieden!

IV. Demokratie braucht Öffentlichkeit/Öffentlichkeit braucht Meinungsfreiheit

Was die Hilfsbereitschaft ganz grundsätzlich und als ein hohes Gut angeht, so kann es um sie nicht ernsthaft gehen, sehr wohl jedoch um deren totalitäre Beschlagnahme im Zuge mobilisierender Aktionen durch Aktivisten und „ihre eingefleischte Unschuld in der moralischen Verlogenheit“ (Nietzsche).

Derweil bemühen die christlichen Kirchen das Gute im Menschen und bedecken die Christenverfolgung in Syrien und in Nord-Afrika (durch Muslime) weitestgehend mit dem Mantel des Schweigens, was durch moralische Verfremdung derjenigen Stimmen geleistet wurde, die auf der Realität beharren. Fanatische Gesinnung gegen die Kritiker als pastorale Engagiertheit!

Die beste Verfassung nutze nichts, wenn die Öffentlichkeit kollabiert, meint der Autor und erinnert an Kants Forderung nach der Öffentlichkeit als einem Forum, auf dem verhandelt werden soll. Wird dies beschädigt, dann beschädigt das auch die demokratische Urteilskraft der Bürger. Die politische Vernunft erstickt. Ohne Bezüge zur Wirklichkeit übt das Handeln den Leerlauf und Wissen wird dramatisch entwertet.

Die eigene Entintellektualisierung zu betreiben würde bedeuten, sich dem Theorem von Emmanuel Levinas zu überantworten, wonach die Ethik den Vorrang vor der Onthologie, das Gute also den Vorrang vor dem Wahren habe. Hier sieht der Autor eine Falle, in die der Linksintellektualismus getappt ist, weshalb seine Figur verblasst und sich die Frage stellt, ob Alain Finkielkraut mit der Behauptung recht hat, die Gestalt des Intellektuellen könne nur überleben, wenn sie die Pose des Konservativen einnimmt?

„Es kann keine Vorfahrt des Guten vor der Wahrheit geben. Das ist eine Sünde an der Aufklärung“, so der Autor.

Der diskutierende Mensch müsse imstande sein, die Standpunkte anderer einzunehmen, was den medialen Eliten offenbar abhanden gekommen ist. Das Nicht-Zuhören-Können sei ein Symptom der Antiaufklärung. Die Verdinglichung scheinbarer Sachzwänge entmächtigt jegliche demokratische Willensbildung. Es handelt sich um eine Erpressung zwecks Entwaffnung des Souverän.

Mantras werden zur legitimen Praxis der Medien und immunisieren gegen fragwürdige politische Entscheide. Es entsteht eine Hyperrealität (Jean Baudrillard) mit der Folge einer moralischen Überwältigung einer ganzen Republik im quasireligiösen Glauben an das verordnete Gute. Der Autor zitiert hier die Richtlinie 12.1. des Pressekodex, wonach in Berichten über Straftäter, ethnische und religiöse Zugehörigkeit nur zu erwähnen ist, wenn ein begründeter Sachzwang besteht.

Die Folgen dieser Richtlinie sind täglich als groteske Verzerrung der Realität offenkundig und firmieren als dubioser Volkswille im dem Sinne, dass man dies dafür zu halten habe.
Der UN-Migrationspakt, dem die Bundesregierung in einer 60 Minuten-Debatte zugestimmt habe, verpflichtet 17 Regierungen zu einem migrationsfreundlichen Klima und materiellen Anreizen! Die Medien sind gehalten, über Migranten und Migration positiv zu berichten.

Hier sieht der Autor wohl berechtigt eine demokratiewidrige Gängelung der Bevölkerung.

Dabei setzt die „mediale Elite“ ihre Freiheit mit der Freiheit aller gleich, womit diese suspendiert werde, wie etwa an den Universitäten und bei öffentlichen Veranstaltungen.
Hier wird die Freiheit des Wortes bedroht, weil Freiheit auch weiterhin die Freiheit des Andersdenkenden ist.

Die Medien seien zum Widersacher der Meinungsfreiheit geworden. Das mediale Phänomen komplementiere den Wandel in der politischen Kultur. Diese oszilliere zwischen der Not- und der Pflichtlüge, sei es nun bei der Bankenrettung oder bei der Euro-Krise.

Die Pflichtlüge steht dabei mittlerweile für politische Korrektheit. Sie ersetzt die menschenrechtliche Leitkultur.

Die westliche Welt wird für an allem schuldig befunden und da das Übel natürlich überwindbar ist, bricht ein hemmungsloser Interventionismus aus, der sich mit dem erforderlichen Entrüstungspotential verbindet und unverwundbar wird.

Die Sachverhalte werden hysterisiert und dramatisiert und kraft der richtigen Gesinnung automatisiert sich eine Denunziationsbefugnis gegenüber Andersdenkenden.

Der Autor meint, die Printmedien hätten 2014 und 2017 ihre letzte Chance vertan, mit analytischer Redlichkeit zu agieren. Statt dessen hätten sie das Phantasma einer „Gefahr von Rechts“ semiotisch befeuert und damit der ausländischen Presse ein karikatureskes Bild der Republik suggeriert. Es sei zu bezweifeln, dass die parlamentarische Demokratie angesichts bevorstehender Krisen mit solchen Medien noch koexistieren kann.

Jean Baudrillard hatte es mit der Bemerkung auf den Punkt gebracht, dass, wenn Pressefreiheit zum Feind von Meinungsfreiheit wird, man das Sterben von Zeitungen nicht mehr zu bedauern hätte.

Das Bestreiten unterschiedlicher, auch divergierender Sinnsysteme in den Kulturen (Matrix) befördere die Illusion allseitiger Verträglichkeiten und lässt die Auseinandersetzung obsolet erscheinen. Huntington habe mit Verweis auf Bernard Lewis hier nichts Neues gesagt.

Feindschaft zu denken, sei eine kardinale Aufgabe des Politischen, ganz im Gegensatz zu den medialen Beschwörungen, es dürfe keine Feindschaft geben. Feindschaft – so der Autor – sei eine fundamentale Tatsache in der politischen Kulturgeschichte.

Dabei kann der Fremde nicht a priori unser Feind sein. Er wird erst dazu, wenn er unser politisches Sein in Frage stellt.

Es sei eine Illusion, ihm mit Sanftmut begegnen zu wollen, denn er zwingt uns (in diesem Falle) ihn als Feind zu akzeptieren. Die kulturellen Unverträglichkeiten sind kardinale Momente der historischen Dialektik (Claude Lévi Strauss).

Eine ganze Armee von medialen Akteuren ist in Europa angetreten, diesen evidenten Sachverhalt aus dem Diskurs zu tilgen. Das intendierte Verharmlosen, das Leugnen (der Unverträglichkeiten), disponiert zu einer Verlogenheit und entkräftet Entschlussfähigkeiten. Zugleich wächst aggressive Unduldsamkeit gegenüber all jenen, die noch imstande sind, Unterschiede zu bestimmen und zu bewerten.

Wo Moral zum alles bestimmenden Faktor wird, entscheidet eine Atmosphäre des Totalitären.

„Die Selbstgewissheit einer moralischen Überlegenheit nimmt sich das Recht, Wissende zu diffamieren und Nachrichten zu unterdrücken oder zu verfälschen“, so der Autor.

V. Selbstverpflichtung zur Unwahrheit – Moral und Selbstzensur

Egon Flaig wird sehr deutlich wenn er unterstellt, die Funktionseliten hätten vor allem 2014 – 2016 in Deutschland über die Wahrheit „verfügt“, indem sie eine offizielle Wahrheit verfertigt und eine anderslautende zensiert habe.
Es sei seit 2015 zu einem politischen Akt geworden, auf faktischer Wahrheit zu beharren. Wer dies tue, beweise Zivilcourage.
Eine „Leitgesinnung“ kann keine Kontroverse gebrauchen.
Der Andersdenkende muss mundtot gemacht werden. Die politische Sprache wird „gereinigt“ und Unworte werden ausgelobt.
Wer eigentlich legitimiert solche Behörden?
„Die sprachgeschichtliche Aufladung des Begriffs Lügenpresse, fand sich in Varianten schon im Vormärz und gehäuft nach 1848“.
Der Begriff erfreute sich unabhängig der politischen Farbe stets regen Gebrauchs. Seine Hypostasierung ist deshalb bewusst undifferenziert.

Die Instrumentalisierung des Antisemitismus hat dabei eine medial besonders verlogene Dimension angenommen, indem sein angeblich dynamisches Anwachsen medial in der autochthonen Bevölkerung verortet wird. Dies, obwohl alle halbwegs gebildeten Leute doch wissen, dass alle Muslime den Judenhass mit der Muttermilch aufnehmen. Da sich dies nicht abstreiten lässt, habe sich das „Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung“ im Jahr 2015 entschlossen, ihn zu rechtfertigen:

„Antisemitismus sei für Muslime eine subjektive Notwendigkeit“.

Das gleiche (wissenschaftliche?) Zentrum hatte 2008 schon mal „Islamophobie“ mit Antisemitismus parallelisiert. Hier hat man es wohl weniger mit Lüge als mit peinlicher Dummheit zu tun! Der Eindruck soll erweckt werden, ein Islamismus habe nichts mit dem (friedlichen?) Islam zu tun.

„Der systematische Gebrauch von Pflichtlügen hat die Regeln der öffentlichen Kontroverse suspendiert“.

VI. Die Entintellektualisierung der politischen Kultur

Die nicht enden wollenden Schuldzuweisungen einer „geistigen Mittäterschaft“, etwa im Zusammenhang mit der Ermordung des Regierungspräsidenten Walter Lübke, bezeichnet der Autor als geistigen Terrorismus und niederträchtigen Hasskommentar. Hier werde nämlich unterstellt, eine kritische Gesinnung schaffe ein mörderisches Klima, weshalb folglich eine solche Gesinnung zu verbieten sei.

Der Autor verweist auf Parallelen aus der Zeit der RAF, als ein Teil der Medien Adorno und Horkheimer eine Mitschuld am Terror zuschrieben. Anders zu denken, bedeute immer, geistigen Widerstand geltend zu machen und zu leisten, weshalb die Behauptung, dass Worte töten können, gelinder Schwachsinn sei. Wir müssten bei solcher Definition einen sehr großen Teil unserer klassischen Texte aus den öffentlichen Bibliotheken verbannen. Wir gerieten in eine Kultur des geistigen Totalitarismus.

„Es ist gefährlich, die Grenze zwischen Verfassungstreue und Verfassungsfeindschaft mit denunziatorischen Vokabeln zu verwischen und ganze Teile des Staatsvolkes unter Verdacht zu stellen“.

Dies alles sei von einer Begriffs- und Sprachzerstörung begleitet. Die behördlichen Eingriffe in den Wortgebrauch seien beängstigend. Die medialen Akteure benötigten offensichtlich Skandalisierbares.

Politische Korrektheit, vom Gender-Neusprech bis zum Rassismus, muss semantische Differenzen tilgen, welche die Begriffe analytisch zuvor (noch) brauchbar machten. Der Begriff der „Fremdenfeindlichkeit“ stehe hier fast stellvertretend, wenn u.U. mehrsprachige Menschen gemeint sind, die es kritisch sehen, wenn ihr Land mit kulturfremden Migranten geflutet wird und weil sie das Anwachsen von Parallelgesellschaften nicht für sinnvoll halten. Die Annihilierung der Semantik und des definitorischen Wertes sei ein lumpenjournalistisches Werk.

Das von Elisabeth Wehling in der ARD als Handreichung empfohlene Rezept, das Denken und Sprechen nicht vorrangig faktenorientiert, sondern nach moralischen Prämissen auszurichten, spricht Bände.

„Es ist die Außerkraftsetzung des aufklärerischen Impetus schlechthin“.

Das zermürbt selbst die Zeitidee der Universitäten, jener Institutionen, wo die Gesellschaft sich Rechenschaft über sich selbst geben sollte. Angesichts einer bedrohlichen Aufkündigung der rationalen Auseinandersetzung, wird der Intellektuelle verfemt und wenn möglich ausgegrenzt.

Zugleich ist es ja nicht so, dass es lediglich eine Frontlinie zwischen Wissenschaft und Politik gibt, was ja nicht verwundern muss. Befremdlich ist derweil aber, wenn Wissenschaftler sich zu einer Resolution bekennen, wonach die europäische Einigung auf einer gemeinsamen Verantwortung für den Kolonialismus basiere. Eine solche Pauschalisierung, sei für fachwissenschaftliche Nüchternheit nicht zu ertragen, weil sie aus einer Verpflichtung ein Schuldverständnis macht. Ein „Verrechnen“ (von Schuld) gehe von der Annahme aus, dass die globalgeschichtlichen Dynamiken eine weltgeschichtliche Bedeutung haben.

Zu vermerken wäre an dieser Stelle auch die hohe (und verschwiegene!) Beteiligung der islamischen Welt am Sklavenhandel, der dort offiziell nie abgeschafft wurde. Briten und Franzosen intervenierten ab 1848 massiv zur Eindämmung afrikanischer Kriege und zur Unterbindung der fortgesetzten Sklaverei und errichteten Protektorate. Der britische und französische Kolonialismus kann von einer Praxis des (auch) humanitären Intervenierens nicht getrennt werden.

Die einseitig aufgemachte Rechnung sieht der Autor als gegenstandslos. Das Aufrechnen allen Unrechts der Vergangenheit, geriete zu einer Spirale der Regression bis Adam und Eva. Die Verrechtlichung der Geschichte sei absurd! Die Taten der Vergangenheit können dem moralisch-juristischen Verdikt der Gegenwart nicht unterstellt werden, denn dies bedeute, die Sinnsysteme der vergangenen Generationen zu missachten.

„Wenn man historische Phänomene moralisiert und jurifiziert, befördert man einen Wahn der Machbarkeit“.

VII.Die Selbstversenkung der Humanwissenschaften an den Universitäten

Ein pseudoreligiöses Konzept von Erlösung sei in die Diskussion eingedrungen und predige eine Allversöhnung als (ewige) Wiedergutmachung. Die Resolution einer gemeinsamen Verantwortung sei eine Worthülse dokumentierter Gedankenlosigkeit. Diese Formel politischer Korrektheit habe als Trend längst auch Einzug in die Universitäten gehalten, wo sie sich offenbar radikalisiert.

Sie entwerte zunehmend die Wahrheit und erlaube es Politikern, nach Belieben „wissenschaftliche“ Gutachten einzuholen oder in den Papierkorb zu werfen.
Wenn z.B. seriöse Untersuchungsergebnisse der Uni Münster mit dem Hinweis vom Tisch gewischt werden, man brauche keine Debatte, die ein „Zerrbild“ des Einwanderungslandes Deutschland vermittele (Leutheuser-Schnarrenberger am 01.03. 2012), dann ist das problematisch, wenn die Untersuchungsergebnisse den üblichen Verlautbarungen der Bundesregierung widersprechen.

Das bekunde seitens der Ministerin eine zynische Haltung zur Wahrheit. Die Öffentlichkeit wird zum Resonanzraum für „Erwünschtes“ herabgewürdigt.

Der Autor hat – wie bei ihm nicht anders zu erwarten – sehr aufwändig recherchiert und weist nach, dass unter dem Label der sog. „Antidiskriminierung“ bestimmte unerwünschte Studien (Seite 102) nicht veröffentlicht werden und sich Behörden der EU zu Vorreitern der Daten-Unterdrückung machen. Da sich der sog. Antisemitismus (Judenhass ist treffender) jedem aufmerksamen Beobachter als überwiegend islamisches Problem offenbart, ist man dazu übergegangen, ihn zu rechtfertigen.

Er sei für Muslime eine „subjektive Notwendigkeit“.

„Diese Studie des Zentrums für Antisemitismusforschung in Berlin treibt die Leitgesinnung auf die Spitze“!

Im Gegensatz zu den öffentlichen Verlautbarungen der Bundesregierung, bescheinigt das Göttinger Institut für Demokratieforschung im Rahmen einer Feldstudie, der PEGIDA-Bewegung weder rassistische Töne, noch antidemokratische Tendenzen.

Die Teilnehmer repräsentierten mehrheitlich Befürworter der Meinungsfreiheit und direkter Demokratie und sie stünden eher links von der Mitte der Gesellschaft. Flaig kritisiert hier jedoch einen Mangel an der Studie, weil sie das Programm der Bewegung übergeht. Als einen möglichen Grund hierfür sieht er die sich (daraus) ergebende Forderung nach einer direkten demokratischen Agenda, welche von einem Großteil der SPD und sogar von den Linken mühelos unterschrieben werden könnte.

Das aber darf bei dieser Studie auf keinen Fall herauskommen.

VIII. Was sind Werte und warum kommt keine Kultur ohne solche aus?

Auch die Werte-Diskussion komme farblos daher, wenn nicht gesagt wird, was damit (wirklich) gemeint sein soll. Welcher Gradmesser wird angewandt, zur Beurteilung des Wertes eines Prinzips oder einer Idee?

Hegel geht in seiner Dialektik des Kampfes um Anerkennung so weit, Freiheit als eine Bereitschaft darzustellen, auch sein Leben einzusetzen. Aktuell zeigen offenbar die Feinde eines liberalen Gemeinwesens mehr Opferbereitschaft als die darin lebenden Autochthonen.

Kann es sein, dass wir einfach nur die Ausbreitung von Dekadenz erleben?

Wird das individuelle Leben zum Selbstzweck?

Verlieren die Werte ihren Wert?

Es geht Egon Flaig um die Verteidigung der Werte, welche sich ihm nicht aus dem Prinzip von Gleichheit erschließen. Hier verortet er die Wirkmacht einer gefährlichen Metapher.

Nun gibt es nach dem GG und der Verfassung eine Gleichheit der Bürgerinnen und Bürger nur vor dem Gesetz und der Begriff ist sonstwo auch nicht vorfindlich (abgesehen von nicht verfassungskonformen „Gleichstellungsbeauftragten“). Dies übrigens im Unterschied zum vorfindlichen Begriff der Gerechtigkeit!

„Die Aufklärung benötige ein inhärentes Gesetz zur Selbstbegrenzung“, also ein konservatives Moment.

Das könnte ein Missverständnis produzieren hinsichtlich der Einsicht, dass Aufklärung ein Vorgang in Permanenz ist und wie Gehlen richtig schlussfolgert eine Emanzipation des Geistes von den Institutionen. Was sollte den Geist begrenzen wollen oder sollen?

Jede Vorstellung von Allgleichheit ist selbstverständlich biologisch so unsinnig wie intellektuell und der kritische Anarcho-Kommunismus à la Bakunin findet seine utopische Begrenzung im marxistischen Element der Emanzipation, welches sich aus der Kritik des Hegelschen Idealismus ableitet, in welchen jede Anarchie abgleiten muss (MM).

Das Element des Utopischen selbst, findet zudem doch bei Bloch eine kluge Differenzierung, wenn er von „konkreter Utopie“ spricht und damit von einer solchen, welche sich der Wirklichkeit überantworten muss und damit als einer von gelebter Praxis. Das „Träumen vom Besseren“ wäre also nicht unter Generalverdacht zu stellen. Aber wo ist dann das Problem?

Es erschließt sich auch nicht die Notwendigkeit eines wissenschaftlichen Nachweises für eine materiell ausgerichtete Triebstruktur, denn ihre durchaus auch positive Seite kennt das Überbordende, für welches der Begriff Gier völlig ausreichend ist. Dieser ist seinerseits eher nicht daran interessiert, sich sozial zu bemänteln, was auch niemand von ihm erwartet.
Die Fähigkeit der westlichen Kulturen habe abgenommen, Opferbereitschaft zu mobilisieren.

Hier ist ein Fragezeichen angebracht, denn immerhin ist die Bevölkerung mehrheitlich nicht auf die Barrikaden gestiegen, als ihnen klar werden musste, was die Migranten noch auch nur finanziell kosten werden. Das kann man natürlich als eine irre geleitete Opferbereitschaft oder schlichte Dummheit bezeichnen.

Das aktuell erlebte Spannungsfeld hat doch seinen Referenzpunkt dort, wo man sich gegenseitig Unmenschlichkeit bescheinigt. Die einen sind die Opfer ihrer Moral und die anderen die ihrer Unmoral. Ein zumindest intellektuelles Opfer (mit gelegentlich auch physischen Folgen) bringen zumindest diejenigen, die nicht müde werden, auf den schleichenden Verlust der demokratischen Kultur zu verweisen, welche als verordnete Gesinnungsethik keinen wesentlichen Widerspruch mehr duldet. Der ihnen vorgeworfene Mangel an Toleranz, ist ein Aufruf zur Toleranz gegenüber der Intoleranz.

Wenn es sich zunehmend herausstellen sollte, dass ein Zusammentreffen auf rationaler Diskussionsebene nicht mehr möglich ist, dann darf diese Unduldsamkeit nicht hingenommen werden, da sie ihrem Wesen nach eine Aufforderung zur Intoleranz ist. Das sieht der Autor wohl richtig, aber das Vorwurfsmuster hat ja längst seine Umkehrung erfahren, denn der Vorwurf von Intoleranz und Unduldsamkeit richtet sich gegen alle kritischen Intellektuellen,-nicht nur aus dem konservativen Lager. Es geht dem Autor um den Missbrauch des Toleranzbegriffs, der zu entlarven ist, denn sonst bleibt alles bei einem großen Missverständnis.

Wenn wir es in Europa akzeptieren, dass die islamische Sharia der Erklärung der allgemeinen Menschenrechte (für die Muslime) übergeordnet ist, dann sanktionieren wir in Europa zwei unterschiedliche Rechtssysteme.

Sollte das für den sich aktuell links verortenden Antifaschismus im tolerablen Bereich liegen, dann ist zu konstatieren, dass es aktuell die geschmähten „Rechten“ sind, die den vor allem muslimisch konnotierten Rechtsextremismus unserer Epoche bekämpfen.

„Wir erleben, wie der Artikel 18 GG (Religionsfreiheit) systematisch gegen den Artikel 1 der Menschenrechtscharta verwendet wird“.

In seinem Verhältnis zur politischen Freiheit, muss sich der klassische Liberalismus in der republikanischen Tradition wissen.

„Dies zu retten, ist ein freies Gemeinwesen verpflichtet und muss alle weiteren Güter hintanstellen“.

Eine Demokratie muss alles tun, um einen Bürgerkrieg zu vermeiden. Sie hat (auch) das Recht auf Selbstverteidigung meint Ernst Wolfgang Bockenförde. Sie kann und muss gesetzliche Maßnahmen erlassen, um verfassungsfeindliche Minderheiten in die Schranken zu weisen. Hier fügt der Autor hinzu, bedürfe es einer Entschlossenheit zu wesentlich weiterreichenden Eingriffen und zitiert Carlo Schmid in seiner Rede vom 08.09.1948, wo dieser auf die Grundrechte und die Frage eingeht, ob jemand sich auf sie berufen könne, wenn er (damit) einen Zweck verbindet, der geeignet ist, die Republik beseitigen zu wollen.

Nach geltender Rechtsgrundlage reicht nämlich eine Verfassungsfeindlichkeit alleine nicht aus, den Entzug der Grundrechte zu rechtfertigen. Die Richter umgehen hier den Sachverhalt, dass es ein „zu spät“ geben kann und sie seien habituell nicht gewohnt, eine politische Konjunktur zu beurteilen oder gar zu antizipieren.

„Die Folge dieser Rechtspraxis sei jedoch, dass es keine Präzedenzfälle gebe. Zugleich sei es unbezweifelbar, dass in schweren Krisen der Ausnahmezustand dazu tauge, einen Staat zu retten, um ihn in die verfassungsmäßige Ordnung zurückkehren zu lassen“.

Alle Gruppierungen und Organisationen, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung abschaffen wollen, sollten als Feinde der Freiheit behandelt werden, ganz gleich ob linksextrem, rechtsextrem oder Sharia-islamisch.

Aber ja doch, möchte man ausrufen, wenn wir denn so genau wüssten, was wir unter links-oder rechtsextrem (genau) zu verstehen hätten. Zumindest aus einer wissenschaftlichen Sicht müsste das dazu führen, die Chaoten von der Antifa nicht als Linke zu bezeichnen und aus der AfD lässt sich (wissenschaftlich) auch keine verfassungsfeindliche Organisation zimmern.

Wenn wir das so lassen wie es ist und wie es sich medial eingebürgert hat, dann bleibt unter dem Strich nur eine etwas nebulöse und eher wenig republikanisch geronnene „Mitte“, die vorsichtshalber (und veränderungsresistent) alles laufen lässt, so lange das eigene Konto nicht bedroht ist.

Der Autor warnt (auch im Rückblick auf die Ermordung Walter Lübkes) vor dessen Beschwörung christlicher Werte, mit der offensichtlichen Absicht einer (verordneten) Gesinnung das (alleinige) Recht auf Staatstreue einzuräumen. Das sei aus dem Munde eines CDU-Politikers eine politische Haltung, die jener der Sharia ähnelt. Dass das großen Teilen der politischen Klasse nicht aufgefallen sei, zeige einen besorgniserregenden Grad von Demokratieferne.

Wer genötigt sei, seine Feinde zu lieben, habe jedweder Selbstbehauptung entsagt und sei kein politisches Subjekt mehr. Wer dieses Selbst nicht mehr verteidigt, verliere die kardinalen Momente seiner Kultur. Solche Völker hören auf, eine Wertegemeinschaft zu sein.

Sich auf die Anweisungen der Bergpredigt berufen zu wollen bedeute, im Geiste Dostojewskis den Staat programmatisch aufzulösen, um ihn in eine kirchliche Anstalt der Nächstenliebe zu verwandeln.

IX. Die Kultur negieren. Überlegungen zu Zeit und Dankbarkeit

Derweil zerfallen die europäischen Bürgerschaften zunehmend in verfeindete Parallelgesellschaften.

Die Haltung, einer Kultur nichts zu verdanken zu haben, wird zum Verlust von Demokratie, Menschenrechten und der Wissenschaften führen, denn—-Kulturen können nicht divers sein.
Von Herodot bis Lévi Strauss und allen, die darüber nachgedacht haben, müssen Kulturen Komplexität reduzieren und dabei folglich Diversität radikal einschränken!

Eine diverse Kultur – so der Autor – sei ein Nonsens-Begriff, da sie dann innerhalb der sozialen Sphären keine Homogenität zu schaffen imstande sei. Die globalistische Verheißung erspare die „Doppelte Integration“, die für jeden Kulturerhalt moralisch, ästhetisch, wissenschaftlich und politisch erforderlich sei.

Der „Blindbegriff“ entwerte zusätzlich die kulturelle Dankbarkeit vor allem dort, wo Pflichten abgewiesen und Ansprüche rücksichtslos gestellt werden. Das für die Demokratie notwendige Zusammengehörigkeitsgefühl geht verloren.

Eine Wertegemeinschaft wie die Ehe werde in Frage gestellt, wenn es eine „Ehe für alle“ gibt, die Alltoleranz erheischt. Dahinter stecke (auch) eine gefährliche soziale Strategie, welche beruflichen Erfolg und soziale Ungebundenheit in den Vordergrund stelle. Die Ehe wird nicht mehr unterscheidbar zu einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft.

Es bedarf einer nachfolgenden Generation zur Übermittlung kultureller Werte, weil sonst eine Kurzatmigkeit im verkürzten Zeithorizont entsteht. Das kulturelle Erbe in der Gestalt tausendfacher Errungenschaften wiegt schwerer, als einige wohl denken mögen und hat sowohl die Sklaverei abgeschafft, als auch Demokratien und die Menschenrechte hervorgebracht, hat Wissenschaft möglich werden lassen und die Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Das kulturelle Erbe sei keine fraglose Gegebenheit. Wer dies bestreite, sei entweder ungebildet oder fanatisch ideologisiert.

Wenn die ehemalige Integrationsbeauftrate der Bundesregierung, Aydan Özoguz behaupte, es gäbe keine spezivisch deutsche Kultur, dann sei das auch Ausdruck einer Weigerung, ein kulturelles Wertesystem anzuerkennen. Wenn es eine deutsche Kultur nämlich nicht gibt, dann braucht sich auch niemand in sie zu integrieren.

So agiert denn Fr. Özoguz, sei es bei der Frage der Kinderehe oder hinsichtlich ihrer Vorstellung, der Gesellschaftsvertrag müsse ständig neu ausgehandelt werden. Noch gefährlicher sei allerdings der französische Staatspräsident Macron, wenn er eine originär französische Kultur dementiere und damit jener globalistischen Ideologie folge, die den Menschen auf seine Arbeitskraft reduziert. So wird jede nationale Kultur letztendlich zu einem Element der Ausgrenzung.

Es sei an dieser Stelle aber hinzugefügt, dass Macrons (wiederholte) Bemerkungen zur französischen Kultur sehr resignativ konnotiert waren. Man kann seine Bemerkung deshalb auch in einem anderen Sinne verstehen, zumal er ja hinzufügte, sie (die franz. Kultur) sei divers und er wolle gegen eine weitere Ausbreitung von Parallelgesellschaften vorgehen. So er dies nämlich in einem hinnehmenden Sinne gebraucht hätte, wäre das eine für einen französischen Staatspräsidenten wohl historisch einmalige Entgleisung.

Der Autor hat erkannt, dass (auch) mit der französischen Linken nicht mehr zu rechnen ist, was er begrüßen dürfte, auch wenn er scharfsinnig erkennt, dass sie in unterschiedliche „identitäre“ Strömungen zerbrochen ist.

Unter dem Banner einer Decolonisation wird alles bekämpft, was als „weiß“ gilt. Die Linke habe bereits in den 1970er Jahren ihre Orientierung verloren, um im „Kampfe gegen den globalen Imperialismus“ zunehmende kulturelle Besonderheiten hoch zu halten. Sie habe ihre universalistischen Maßstäbe preisgegeben, aus denen sie Argumente hätte schöpfen können, um „unerträgliche kulturelle Besonderheiten“ kritisieren zu können.

Was heißt das? Geht es wirklich um die Unerträglichkeit von (demokratiefeindlichen) kulturellen Besonderheiten, derer sich die Linke nicht angenommen hat oder ist das eine Kritik an der Imperialismus-Kritik?

In Lyon hat ein „Collectiv décolonial“ verlangt,, den Begriff Fortschritt aufzugeben, weil er für Nicht-Weiße sinnlos sei. Interessant wird es, wenn sogar die Homosexualität als Ausdruck einer politischen Identität (?) in den Focus der Kritik gerät oder wenn grundsätzlich gefordert wird, den „Weißen“ die Kontrolle zu entziehen.

Im vornehmlich muslimisch dominierten Norden von Paris (St. Denis), fordert an der dortigen Uni die „Gemeinsame Front der Fakultäten gegen die Selektion“ die Abschaffung von nachweisbaren Studienleistungen, vor allem in den geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern. Das Studium der großen klassischen Texte wird als europäischer Elitismus verschrien.
Es ist dort ein offensichtliches Feindklima gegen „Das Weiße“ entstanden, welches einen antirassistischen Rassismus produziert.

Der Autor verweist im Rückblick auf Sartres Aufsatz „Orphée noir“ wo dieser einen antirassistischen Rassismus befürworte und desgleichen auf Frantz Fanon und dessen Buch „Die verdammten dieser Erde“, einem „Programm der Unterwerfung Europas und der weißen Rasse“, deren Ausgeburt die verhasste europäische Kultur sei.

Dies würde einen eigenen Diskurs, nicht nur auf der philosophischen Ebene rechtfertigen und er müsste (wie der Autor immer wieder fordert) in der zeitlichen Sinngebung gesehen und angemessen referiert werden. Es ist aber unumwunden zuzustimmen, wenn hier das Aufgehen einer unheiligen Saat unterstellt wird! Hier entstehen Verwüstungen, vor allem auch im universitären Bereich.

Anders als in der USA und in Großbritannien bildet sich jedoch in Frankreich eine intellektuelle Front gegen die Zerstörung der republikanischen Werte. Die Unterzeichner wenden sich darin gegen einen „neuen islamischen Totalitarismus und gegen den neuen Antisemitismus“. Ganze Stadtviertel seien „ethnisch gesäubert“ und in Paris hätten sich 50 000 Juden (aus Gründen der Sicherheit) zu einem Wohnungswechsel veranlasst gesehen, während eine doppelt so große Zahl aus Frankreich ausgewandert ist.

In einem „Appell der 80“ wenden sich prominente Franzosen an Behörden und Institute gegen die Zerstörung der freien Debatte und der intellektuellen Standards. Bei der Frage was zu tun sei, empfiehlt der Autor, die kulturelle Existenz des Menschen in den Blick zu nehmen.

X. Überlegungen zur kulturellen Selbstbesinnung

Gesellschaftlicher Wandel kann Gutes bedeuten, aber zugleich kann auch wissenschaftliches Denken verloren gehen. Bürgerrechte können gegenstandslos werden und eine kommende Generation muss einen solchen Verlust nicht einmal wahrnehmen, wenn sich ihr Sinnsystem verändert hat. Republikanischer Staat und Religionsfrieden seien mit großen Opfern erkauft.
Sich zu orientieren heißt, eine Richtung festlegen und diese kann nicht beliebig verändert werden. Es kann deshalb auch nicht alles gleich wichtig sein, weil Kultur Unwichtiges exkludiert.

Gleichberechtigung ist nicht Gleichstellung und wenn Männer und Frauen in einer Gesellschaft gleichberechtigt sind, dann müssen Frauen (auch) ihr Gesicht zeigen. Die Norm wird sonst unbegründbar.

Normen und Werte begründen sich durch vorreflexive Übernahmen und Habitualisierungen und durch die bewusste Annahme von Zugehörigkeiten. Das kollektive Gedächtnis, die Memorialkultur drohe verloren zu gehen. Konkrete Identität als kulturelle Orientierung, um die uns umgebenden Dinge zu bewerten, integriert das Subjekt in seine soziale und Zeitdimension. Das sog. Narrativ ist die historische Erzählung, seine „Mythomotorik“ (Jan Assmann).

Die Wissenschaft ihrerseits ist dem Zwang der Bewahrheitung unterworfen und ihre Erkenntnisse haben einen universalen Anspruch. Sie muss deshalb die Orientierungsmythen immer wieder destruieren. So hat sich die Geschichtsforschung abgelöst vom Interesse der Nationen, sozialen Klassen, Religionen, Geschlechter und Ethnien. Sie kann keinem kulturellen Gedächtnis gehorchen und kann (gelegentlich) sogar zu dessen Feind werden. Als Wissenschaft vermag Geschichte dabei zugleich nicht (im Sinne einer Sinngebung) zu orientieren.

XI. Die Auslöschung der europäischen Memorialkultur

Flaig erwähnt noch einmal den Historikerstreit von 1986/87 (Seite 137), wo beide Konfrontationslinien eine aus seiner Sicht strukturelle Homogenität aufzeigten. Die Unterscheidung sei – mit Bezug auf Max Weber – dass Wissenschaft nichts mit Gedächtnispolitik zu tun habe. Das sei für die Wissenschaft konstitutiv. Habermas und Dan Diner hätten die Shoah sakralisiert, indem sie diese zu einem Ereignis hypostasierten, das sich der wissenschaftlichen Vergleichbarkeit entzieht.

Das führt aber zu einer bedenklichen Einengung des Zeithorizontes. Die ganze Vergangenheit wird zum verjährten Ballast einer ausschließlich NS-kritischen Sicht. Historische Relevanz soll alleine jenes einzigartige Verbrechen erhalten, an dem sich alles zu relativieren hat.

Das wiederum führt zu einer Sicht auf die Dinge, die Flaig als diagnostische Paranoia bezeichnet, „weil überall und jederzeit der Rückfall in den Nationalsozialismus droht“. Das nimmt eine mythogene Signatur an und führt zu gedächtnispolitischen Diktaten. Zugleich macht dies die mediale Elite wehrlos gegen fake history, wenn diese inbrünstig moralisierend daher kommt.

Wenn etwa im Falle des muslimischen Sklavenhandels die historische Wahrheit einer historischen Gerechtigkeit zum Opfere fällt, dann spielt die Wahrheit keine Rolle mehr und wird zum Ärgernis. Ganze gesellschaftliche Gruppen mutieren zu Opfern oder Nachfahren von Opfern in Berufung auf Dekolonisation, historischem Unrecht und (ererbter) Schuld und verlangen neben finanzieller Entschädigung auch die Anerkennung ihrer Version der Vergangenheit.

Diese Gruppen, die zu Minderheiten stilisiert werden, betreiben heftige Opferkonkurrenz, weshalb sie nicht bereit sind, gemeinsame Rechtsnormen zu akzeptieren.
Der aktuelle Kurs der Diskriminierung enthebt die Gruppierungen der Pflicht, sich den Regeln republikanischer Gleichheit zu unterstellen.

„Wenn es zutrifft, dass Reparationen Einkapselungen in eine dauerhafte Opferrolle begünstigen, dann ist eine Hoffnung auf Versöhnung (hierdurch) pure Illusion“!

Welch ein Glück, dass diese Worte von einem Wissenschaftler kommen. In der politischen Arena würden sie aktuell den jüngsten Tag beschwören. Der Ruf nach historischer Gerechtigkeit – so Flaig – sei nur möglich, wenn eine quasi göttliche Macht die Geschichte widerriefe.

XII. Worauf müssen sich Europäer besinnen?

Da die europäische Kultur die einzige ist, die beständig ihre eigene Selbstkritik betreibt und bereit ist, ihre Schuld anderen gegenüber einzugestehen, zielt diese Haltung auf eine globale Verantwortung in einem Allinteresse an anderen Kulturen. Hier spannt sich ein großer Bogen bis hin zu einem Erbe der menschlichen Hinterlassenschaften und ihrer Bewahrung. Das Universale an Kulturen lasse sich dabei nicht in eine universale Kultur übersetzen und überführen. Die Globalisierung ist hierbei ein Ökonomismus, der sich gegen den menschenrechtlichen Universalismus sträubt.

Ein gemeinsames Geschichtsbild, als zumindest in Umrissen erkennbarer Anker von Gemeinsamkeiten, wäre dagegen so etwas wie ein „Wir-Gefühl“. Wer sich als ein deutscher Europäer begreift, der müsste verstanden haben, dass Europa dort beginnt, wo Republikanismus und wissenschaftliches Denken ihren Ursprung haben, weshalb es nicht abwegig sei, die deutsche Geschichte bei der athenischen Demokratie beginnen zu lassen.

Griechen und später auch die Römer haben vorgemacht, dass sich die Menschen als Bürger selbst Gesetze geben können, unabhängig von Göttern oder Offenbarungen.
Dabei zerlegt man die politische Macht in klar definierte Befugnisse und — man begrenzt sie. Die öffentliche Debatte bei voller Meinungsfreiheit war und ist gebunden an eine gemeinsame Sprache und die gleichen Werte.

Die Griechen hatten gemerkt, dass jeder Demokratie-Typus sich in einzelne Varianten zerlegen lässt und sie wussten auch, dass Demokratie in Tyrannis umschlagen kann. In ihren Verfassungsdebatten prüften Griechen und Römer, ob Änderungen sinnvoll waren und sie wogen möglichen Schaden und Nutzen sorgsam ab. So entstanden die Stadtkulturen, die in dieser Form nie wieder erreicht wurden.

Die im Römischen Reich hervorgebrachte Religionsfreiheit war keine repressive Toleranz, sondern eine Teilhabe des „Anderen“, ganz im Gegensatz zur islamischen Kultur, welche im günstigsten Falle nur „Dhimmis“ als „Geduldete“ akzeptiert und in der Zeit des Kalifen Omar bin Abt Al Aziz (etwa um 720) eine religiöse Apartheit begründete. Am Beispiel der Spätantike zeige sich, welch immense Folgen das Aufkommen neuer religiöser Kulturen haben kann. Es kam im öffentlichen Raum immer mehr und immer wieder zu Gewaltakten und die Stadt verlor ihre republikanische Grundlage.

„Kaiser Justitian entzog allen christlichen Häretikern praktisch das Bürgerrecht. Ebenso den Juden und auch anderen Nicht-Christen. Hierüber nachzudenken empfiehlt der Autor zwecks besseren Verständnisses der aktuellen Lage.

Die arabische Wissenschaft des Mittelalters sei fast rein hellenistisch ausgerichtet gewesen und alle wissenschaftlichen Kulturen dächten letztendlich griechisch. Der sog. „Logische Beweis“ ist eine griechische Erfindung. Das griechische Denken hat einen europäischen Sinnzusammenhang geschaffen. Das ist es dann auch wohl, was für den Wissenschaftler Egon Flaig das Credo eines modernen und aufgeklärten republikanischen Konservativen ist.

Griechisches Denken und ein gewandeltes römisches Recht als nicht zu hintergehende Voraussetzungen.

Schluss: Die Pflicht zu kultureller Dankbarkeit

Ein großes Thema bleibt für ihn die kulturelle Dankbarkeit im Sinne eines auch verlierbaren (scheinbaren) Selbstverständnisses einer Geborgenheit im „Wir“. Zusammengehörigkeit und Opferbereitschaft für den Erhalt des mühevoll Erkämpften bedingen einander. Wenn sich im Sinne Senecas die Dankbarkeit gegenüber den Gründern einer aufgeklärten Kultur in Undankbarkeit wandele, welche sich in Beliebigkeit spiegelt, dann lösen sich die europäischen Republiken auf. Dann ist es auch gleichgültig, ob sich das in zwei oder erst in drei Generationen vollziehe.

Diese Dankbarkeit muss sich auf ein aufgeklärtes Bewusstsein stützen und es ist zu resummieren, dass sich die aktuell erlebte Gesellschaft posthum am hellenistischen Geist zu emanzipieren hätte, dessen Reste noch vorhanden, aber zunehmend schwerer zu finden sind.

Das erübrigt die Frage im norddeutschen Dialekt: „Tut dat not“?

Ja, — das tut es, quod erat demonstrandum.


Anhang zu Egon Flaig

Titel: Was Nottut / Plädoyer für einen aufgeklärten Konservatismus.
Verlag: Die Werkreihe von Tumult #09
ISBN: 978-3-948075-06-4

Einteilung in 12 Abschnitte mit Untergruppen und Schlusswort.
Die Einteilung wurde in der Rezension übernommen.
Die wörtlichen Zitate des Autors sind in Gänsefüßchen gesetzt.

Weitere jüngere Veröffentlichungen von/um Egon Flaig: