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XY ungelöst.

Auf der Suche nach dem Täter
im Nebel der geschlechtergerechten Sprache

von Bernhard Lassahn

Elter 1 und Elter 2, Studierende, Erlebende.

So sieht sie aus. Die geschlechtergerechte Sprache. Es ist wie mit Pornografie. Man muss nicht lange über eine Definition streiten – man erkennt sie sofort, wenn man sie sieht.

Die Beispiele habe ich mir ausgesucht, damit wir vor Augen haben, worüber wir eigentlich reden. Wer redet? Wann? Wo? Im Rahmen des evangelischen Kirchentages soll es eine Genderdebatte geben unter dem Titel „Für eine sanfte Revolution der Sprache“ (siehe unten). Da geht es um

„geschlechter- und gendergerechte“ Sprache.

Wir können die „geschlechter- und gendergerechte“ Sprache leicht erkennen. Doch wie wirkt sie sich aus? Sie hat Wirkungen und Nebenwirkungen. Eine der Wirkungen besteht darin, dass die Täter versteckt werden. Wir lesen einen Krimi, aber dürfen ihn nicht bis zum Schluss lesen. Die Frage „who did it?“ bleibt unbeantwortet. Nicht nur die Geschlechtszugehörigkeit verschwindet im Nebel, auch die Täter verstecken sich in einer neu geschaffenen Grauzone zwischen Aktiv und Passiv.

Schauen wir mal. Auch diesmal will ich ein Zitat voranstellen. Ich halte der geschlechtergerechten Sprache vor, dass sie, wie Paulus gesagt hat, „undeutlich“ (Korinther 14.9) ist. Sie schafft vorsätzlich Unklarheiten, als würden sie einer Anweisung folgen, die man gelegentlich in den Drehbüchern von Federico Fellini findet – da heißt es: „Nebbia qui, nebbia là (Nebel hier, Nebel dort).

Elter 1 und Elter 2

Inzwischen sind in Formularen bei Behörden die vertrauten Begriffe „Vater“ und „Mutter“, die noch aus einer Zeit stammen, als eine gerechte Sprache unbekannt war und keiner wusste, was „gender“ ist, durch „Elter 1“ und „Elter 2“ ersetzt worden, um damit eine neue Art von Gerechtigkeit zu schaffen.

Nun kann man einwenden … äh, wieso? Damit ändert sich doch nichts in Sachen Aktiv und Passiv. Ein Elter ist doch genauso eine aktive Person, wie es eine Mutter oder wie es ein Vater wäre. Wir wissen nach wie vor, wer die Täter sind. Ja, ja. Schon. Aber was tut so ein Elter?

Mit der Umbenennung verschwindet unsere Vorstellung von der Tätigkeit, die sich derjenige oder diejenige, der oder die sich heute „Elter“ nennt, ausübt … Oh weh, das war ein komplizierter Satz. Mit Vater oder Mutter wäre das nicht passiert. Das haben wir davon. Wir wissen nicht, was für ein Geschlecht derjenige oder diejenige hat. Wir wissen auch sonst nichts.

Auch die Kriminalkommissarinnen sind ratlos: Sie können einen Täter nicht mehr so leicht auf die Spur kommen. Elter 1 und Elter 2 hinterlassen keine Spuren. Wir haben keine Vorstellung davon, was sie tun. Wenn wir an eine Mutter denken, haben wir sofort eine Vorstellung davon, welche Aktivität sie aufgebracht hat, ein Kind in die Welt zu setzen und was es für ein Aufwand ist, das Alltagsleben mit einem quengelndem Kind zu meistern. Bei einem Vater haben wir ebenfalls gewisse Vorstellungen. Bei Elter nicht.

Wir wissen nicht, ob sie etwas gemeinsam haben – abgesehen von der Bezeichnung, die man ihnen verpasst hat. Wir wissen auch nicht, was sie für eine Beziehung zueinander haben. Wir wissen auch nicht, ob sich ein Elter überhaupt um ein Kind kümmert oder sich gerade auf der Flucht befindet.

Früher konnten wir uns vielfältige, die Fantasie anregende Unterschiede vorstellen zwischen einem Vater und einer Mutter. Zwischen Elter und Elter sehen wir keine. Bei Vätern und Müttern waren uns auch die verschiedenen Risiken und Nebenwirkungen bekannt, die man beim Umgang mit Kindern beachten musste. Bei Elter und Elter ist nichts bekannt.

Studierende

Wir sehen keine Unterschiede mehr. Keine Täter. Auch bei Studenten nicht. Differenzieren wird vorschnell mit Diskriminieren gleichgesetzt, also sollte man damit gar nicht erst damit anfangen: Da ist jemand, der nur pro forma Student ist, sein Studentenausweis ist noch nicht abgelaufen, er lässt sich längst nicht mehr an der Uni sehen. Der ist noch jemand, der sich gerne Vorlesungen anhört, aber den Status eines Rentners hat. Sie sollen nicht unterschieden werden. Sonst könnte sich einer der beiden ausgegrenzt und diskriminiert fühlen. Beide sind Studierende.

Ich war auch mal Student, mir ist das klar. Dass sich die Studenten von heute so gerne „Studierende“ nennen, hat einen einfachen Grund: Es ist die Prüfungsangst, die Angst vor dem Ende des Studiums. Denn was wird sein, so lautet die bange Frage, wenn sie eines Tages keine Studenten mehr sind? Was dann? Dann sind sie ehemalige Studenten.

Das darf nicht sein. Zum Glück gibt es keine ehemaligen Studierenden. Ein Studierender ist man immer. Jetzt und immerdar. Deshalb wollen sie gerne Studierende sein. Dann sind sie geschützt davor, jemals Ehemalige zu werden. The show must go on. The party shall not be over.

Die Party geht auch bei den Alleinerziehenden immer weiter, bei den Kunstschaffenden, den Arbeitssuchenden und Auszubildenden. Sie sind immer im Dienst, sie sind allzeit bereit. Wir wissen doch, wie das ist: Eine alleinziehende Mutter wird vom Kind aus dem Schlaf gerissen, just in dem Moment, als sie so schön davon geträumt hat, dass sie an der gläsernen Decke ein neues Reinigungsmittel ausprobiert. Ein Künstler ist immer ein Künstler, auch wenn es so aussieht, als würde er gerade über ein neues Werk nachdenken und es würde ihm partout nichts einfallen. Alle sind so sehr in Beschlag gelegt, dass sie nichts anderes mehr tun können. Sie haben immer Schicht. Sie sind rund um die Uhr das, was sie tun.

Es sieht auf den ersten Blick so aus, als wären das keine guten Beispiele dafür, wie durch eine geschlechtergerechte Sprache Täter versteckt und aus der Verantwortung genommen werden. Schließlich sind die Studierenden und die Alleinerziehenden deutlich als Täter benannt. Sie tun etwas. Sie tun es sogar rund um die Uhr. Eben. Das ist das Problem.

Es kann genauso gut sein, dass sie nichts tun. Gar nichts. Gerade Alleinerziehende geben ihre Kinder besonders häufig in Fremdbetreuung. Ein Studierender hat gerade Semesterferien und arbeitet als Taxifahrer. Künstler lassen ihr Werk bewusst unvollendet; denn der Prozess des Kunstschaffens selber gilt bereits als Kunst, auf das Ergebnis kommt es nicht an. Die Mitglieder im Verband der Schriftstellerinnen und Schriftsteller sehen sich neuerdings als „Schreibende“ und falls sie jemals etwas zu Ende gebracht und dann Urheberrechte zu verwalten haben, dann sehen sie sich als „Urhebende“.

Wir sind immer gerade dabei, etwas zu tun. Bei McDonald heißt es: „I’m loving it“ statt „I love it“, wir werden nie fertig, wir verbleiben in der Verlaufsform, in der Tun und Nichtstun verschwimmen und sich die Zeitenfolge (consecutio temporum) auflöst.

Wenn es heißt, dass die „Teilnehmenden“ anschließend eine Erklärung unterschrieben haben, müsste es eigentlich die Teilgenommen-Habenden heißen, für Teilnehmende gibt es kein „anschließend“. Egal. Die allumfassende Gegenwart – das angestrengte Nirwana auf Hochtouren – überschreitet sogar die Grenze von Leben und Tod. Denken wir an die bei einem Massaker an der Uni sterbenden Studierenden. In vorauseilendem Gehorsam passen sich die Leute an und schreiben: „… heute Vormittag ist es erneut zu einem tödlichen Unfall gekommen … eine Radfahrerin wurde direkt am Unfallort getötet. Der Volksentscheid Fahrrad wird 16 Grablichter aufstellen – für jede und jeden getöteten Radfahrenden eines.“

Wir sollten gleich noch eine Kerze aufstellen: für die Sprache. Die ist kaputt.

Emma Watson, die Hermine aus der Harry-Potter-Verfilmung hat vor den Vereinten Nationen die Kampagne „He for She“ vorgestellt, die eigentlich „He for Her“ heißen müsste. So viel Englisch kann ich auch. Bei der deutschen Übersetzung „Er für Sie“ fällt der Fehler nicht auf, er tut es erst, wenn wir die Formulierung in die erste Person übertragen, dann hieße es: „Ich für Du“ – nicht etwa „Ich für dich“. Das Aktiv wird hier mit dem Passiv gleichgesetzt, der Nominativ mit dem Akkusativ. Derjenige, der etwas tut – also he – ist gleichrangig mit derjenigen – also she – für die etwas getan wird.

Erlebende

Wahlhelfende in Berlin gesucht!
Wahlhelfende in Berlin gesucht!

So auch bei Vergewaltigungen. Mithu Sanyal, die für diverse Rundfunkanstalten und für die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt, stellt im ‚Spiegel’ ihr neues Buch vor und erklärt, dass sie sich von Opfer-Täter-Zuschreibung verabschiedet hat und grundsätzlich in Frage stellt, dass eine vergewaltigte Frau das Opfer und der vergewaltigende Mann der Täter sei.

Sie meint, dass es das Wort „Opfer“ in diesem Zusammenhang gar nicht mehr geben solle. Vielmehr solle man in Zukunft bei vergewaltigten Personen, aber genauso beim Vergewaltiger von „Erlebenden“ sprechen. Das sei neutral und wertfrei und würde die klassische, genderproblematische Rollenverteilung – aktiver Mann hier, passive Frau da – aufbrechen.

Mal sehen, was die anderen Diskussionsteilnehmer, die von der evangelischen Kirche eingeladen wurden, zu den Beispielen sagen. Ich sage es deutlich: Ich bin gegen eine gendergerechte Sprache. Sie ist schädlich. Aber vielleicht können die anderen Diskussionsteilnehmer mich bekehren und mir erklären, was an dieser Sondersprache gut sein soll.

Bei allen drei Beispielen ist es mir so gegangen, dass Leute, denen ich davon erzählt habe, mir nicht glauben wollten und misstrauisch nach Belegen gefragt haben. Die Belege gibt es. Die kann jeder selber googlen. Ich weiß nicht, worauf die Leute noch warten. Auf eine Schrift an der Wand? Auf einen brennenden Busch? Darauf dass ihnen jemand den Balken aus dem Auge nimmt?

Im Englischen spricht man vom „elefant in the room“, also vom Elefanten im Zimmer, den alle angestrengt übersehen. Wittgenstein hat einst mit Bertram Russel eine Stunde lange über die Frage diskutiert, ob es möglich ist, theoretisch zu beweisen, dass sich gerade kein Rhinozeros im Zimmer befindet.

Für die Genderdebatte sind zwei Stunden angesetzt. Einschließlich einer Schweigeminute für die Ertrinkenden im Mittelmeer, außerdem werden zwei Lieder in geschlechtergerechter Sprache gesungen, für die jeweils 5 Minuten eingeplant sind.

Für die Genderdebatte sind zwei Stunden angesetzt. Einschließlich einer Schweigeminute für die Ertrinkenden im Mittelmeer, außerdem werden zwei Lieder in geschlechtergerechter Sprache gesungen, für die jeweils 5 Minuten eingeplant sind.

Es wirken mit: Gesine Agena (Frauenpolitische Sprecherin Bündnis 90/Die Grünen), René Hornstein (Vorstand Bundesverband Trans* (in dem Fall weist das Sternchen nicht auf eine Fußnote hin, sondern auf eine Besonderheit in der Frage der Geschlechtszugehörigkeit)), Prof. Dr. Martin Leutzsch (der über die Bibel in gerechter Sprache sprechen wird), Dr. Andrea Lassalle (GenderKompetenzZentrum – Netzwerker_innen).

Die Veranstaltung leitet Dr. Franz Ferdinand Kaern-Biederstedt. Er hat sie auch vorbereitet. Sie findet am Freitag dem 26. Mai um 11.oo Uhr statt, im „Kosmos“, Saal 10, Karl-Marx-Allee 131A in Berlin Friedrichshain. Sie hat den Titel: „Für eine sanfte Revolution der Sprache“. Einladende Impulse für die Genderdebatte. Zentrum Regenbogen.

Der Autor
Bernhard Lassahn hat Notizen zur Sprache gesammelt auf seiner Seite Bernhard Lassahn unter ‚Aus der Welt der Literatur’ und speziell zur so genannten geschlechterechten Sondersprache auf der Seite ‚Frau ohne Welt’ unter ‚Frauenmund’.

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