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Professor Dr. Gerhard Amendt:

Offener Brief an die Bundesfamilienministerin

[dropcap color=““ boxed=“no“ boxed_radius=“8px“ class=““ id=““]E[/dropcap]inen offenen Brief an die Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig zur Petra-Studie hat Professor Dr. Gerhard Amendt geschrieben.

Kindeswohl und Umgangsrecht – Forschungsgruppe PETRA realisiert bundesweite Studie im Auftrag des BMFSFJ

Wie wirken sich die unterschiedlichen Betreuungsmodelle nach der elterlichen Trennung auf das Wohl des Kindes aus? – Eine Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Jedes Jahr sind rund 200.000 Kinder von der Scheidung/Trennung ihrer Eltern betroffen.

Studienergebnisse belegen eindeutig, dass es sich hierbei für die meisten Kinder um ein einschneidendes Lebensereignis handelt. Je nachdem, wie Eltern die Betreuung ihrer Kinder im Anschluss an die Trennung ausgestalten, können für Kinder weitere Belastungen hinzutreten.

Die in Deutschland am häufigsten praktizierte Betreuungsregelung besteht im Residenzmodell, bei dem die Kinder meist bei der Mutter wohnen, und an den Wochenenden Kontakt zum Vater haben. Daneben etablieren sich zunehmend weitere Umgangsregelungen, wie beispielsweise das Wechselmodell, das durch eine wechselnde Betreuung durch beide Elternteile gekennzeichnet ist.

Wie sich die unterschiedlichen Betreuungsmodelle nach der elterlichen Trennung auf das Kindeswohl auswirken, möchte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend jetzt untersuchen lassen. Hierzu wurde die Forschungsgruppe PETRA in Kooperation mit dem Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation der Universität Bremen beauftragt.

 

Diese Studie muss kritisch gesehen werden.

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Der offene Brief

Prof. Dr. Gerhard Amendt
Vormals Institut für Geschlechter und Generationenforschung
Universität Bremen

Wien, 28. September 2016

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Schwesig,

mit der PETRA-Studie möchten Sie eine „eine empirische Grundlage dafür (..) schaffen, Umgangsregelungen nach Trennung stärker am Wohl und an den Bedürfnissen von Kindern anzupassen und Belastungen zu vermindern.“
Gegen diese Forschung gibt es Beschwerden, die Ihnen zugetragen wurden. Erfahrungsgemäß kommen die vom Verband Alleinerziehender Mütter und Väter oder ähnlichen Organisationen, die von Ihrem Hause finanziert werden und in einem Verhältnis der Abhängigkeit und faktischen Weisungsgebundenheit stehen. Dass Sie bereit sind, das Forschungsdesign im Sinne der Beschwerdeführerinnen zu verändern, legt die Vermutung nahe, dass Sie die Tradition Ihres Hauses fortsetzen, Forschung zu unterbinden, die zur Humanisierung von Trennung beitragen kann.

Das BMFSFJ hat eine bemerkenswerte Geschichte, Forschung zu vereiteln, die die Realität von Partnerschaften und Familien abbilden kann. Dazu zählt auch der Bereich von Gewalt in der Trennungsphase. Die erste Studie dazu, die Bremer Scheidungsväterstudie wurde deshalb nicht vom BMFSFJ finanziert, sondern vom Stifterverband für Deutsche Wissenschaft.

Sehr zu unserer damaligen Überraschung hat die Bremer Scheidungsväterstudie annähernd gleiche Gewalthäufigkeiten von Männern und Frauen in ca. 30{18423f3510016d69a38748c31b9d3c63e55e56caeb597c341a8ea176480d5299} aller Trennungen nachgewiesen. Weil das der Ideologie von gewaltfreien Frauen widersprach, sah sich das BMFSFJ genötigt, eine eigene Studie zur Gewalt gegen Männer zu vergeben. Auch die Studie von 2004 hatte den entscheidenden Haken, dass damals schon über Manipulationen des Forschungsdesigns eine wirklichkeitsnahe Abbildung von Gewalt blockiert werden sollte. Es waren alle Fragen untersagt, die auf Gewalttätigkeit von Frauen hätten ein Licht werfen können. Es durften nur Gewalterfahrungen von Männern erhoben werden, die sich außerhalb der häuslichen vier Wände ereigneten. Gewalt von Frauen blieb damit draußen vor! So lässt sich Gewalt nicht ernsthaft bekämpfen. Die Studie war deshalb familienfeindlich, denn sie begünstigte Gewalt in Partnerschaften – es war ein Beitrag zu deren Verstetigung.

Dem BMFSFJ ist der schwere Vorwurf zu machen, dass auch die Pearl-Studie nicht ernstlich daran interessiert ist, Scheidungen für Kinder weniger belastend zu gestalten. Vor allem soll das Wechselmodell totgeschwiegen werden, dass in Ländern wie den USA, Schweden und Kanada sich durchsetzt. Dass das Ministerium die Kritik seines eigenen wissenschaftlichen Beirats übergeht, ist vielsagend.

Ich fordere Sie auf, die Zensur der PETRA-Studie zu unterbinden, damit es um die Humanisierung der Scheidung für Kinder geht und nicht um die Zementierung altmodischer Vorurteile in ihrem Haus. Diese sind ein ernst zu nehmendes Hindernis für eine konfliktlösende Familienpolitik.

gez.

Gerhard Amendt