
Feminismus – die Summe oder die Schnittmenge? Ja, was denn nun?
Fundstück im Netz:
„Bombe20“ schreibt in einem Kommentar auf einen Blogeintrag (unter anderem):
War das “der Feminismus”? Das kommt auf die Definition an. Wenn man den Feminismus definiert als die Summe aller Handlungen von Feministinnen, die diese als feministisch betrachten, dann zwangsläufig eindeutig ja. Definiert man ihn dagegen als die Schnittmenge der Überzeugungen aller Feministinnen, dann ist nicht mal sicher, ob der Feminismus überhaupt die Existenz von Frauen anerkennt.
…
Quelle: https://gleichheitunddifferenz.wordpress.com/2015/11/15/appell-an-maennerrechtler/comment-page-1/#comment-185
Da trifft einer das Grundproblem des „Feminismus“ auf den Kopf.
In nur zwei Sätzen. Eigentlich sogar nur mit zwei Worten: „Summe oder Schnittmenge?“
„Bombe20“ geht da mit Logik dran. Jedoch ist Logik ja nicht gerade die Kernkompetenz der Feministinnen. Insofern sind diese zwei Sätze nicht geeignet zu einer Argumentation gegenüber Feministinnen. Aber sie sind geeignet in einer Diskussion mit gemässigten Teilnehmern, die noch zuhören und die noch denken können.
Jedesmal, wenn jemand vom „Feminismus“ schwadroniert, ohne dies genauer einzugrenzen, die Gegenfrage: „Meinst du die Summe aller Handlungen von Feministinnen oder meinst du die Schnittmenge der Überzeugungen aller Feministinnen? Definiere das bitte, denn ohne diese Abgrenzung können wir hier nicht weiter diskutieren!“
Übrigens: „Bombe20“ löst für sich dieses Grundproblem mit dem Satz:
Deshalb bin ich zu meiner Definition des real existierenden Feminismus gekommen, die auf die tatsächliche Wirkung in der realen Welt abstellt, ohne allen selbstbezeichneten Feministinnen oder allen Feminismusvarianten eine Generalschuld zu unterstellen.
Blog Comments
elmardiederichs
21. November 2015 at 20:00
Ich wundere mich ein wenig darüber, daß um das Mein-Feminismius-Problem so viel Verwirrung herrscht.
Vergleichen wir mal: Wie würden wir über Folgendes denken?
„Wenn man Philosophie definiert als die Summe aller Handlungen von Philosophen, die diese als philosophisch betrachten, dann zwangsläufig eindeutig ja. Definiert man ihn dagegen als die Schnittmenge der Überzeugungen aller Philosophen, dann ist nicht mal sicher, ob die Philosophie überhaupt die Existenz von Philosophen anerkennt.“
Man würde denken, daß das unsinnig bis überflüssig ist, denn was Philosophie ist, würde man einfach dadurch beantworten, daß man die philosophischen Disziplinen und die philosophischen Themen beschreibt, benennt und charakterisiert. Was jeder einzelne Philosophiestudent so an Halbgarem über Philosophie im Kopf hat, würde man hingegen nicht als maßgeblich für die Definition von Philosophie erachten, sondern man würde die großen Philosophen als richtungsgebend ansehen.
Na, bitte – was sind denn die feministischen Themen? Hier meine – nicht unbedingt vollständige – Liste:
I. Gesellschaftstheorie als Theorie des Geschlechterkonfliktes: Analyse der Rechtssysteme
II. Metaphysik des Sozialen: Existentialismus für Frauen, Strukturbegriff, Konstruktivismus, Sprachidealismus
III. Analyse des Machtbegriffs in den Konstellationen „Person-Person“ (Privilegien) und „Person-Struktur“ (Intersektionalität)
IV. Feministische Theorie der Erkenntnis: situated knowledge und epistemischer Relativismus
V. Analyse der Geschlechterrollen: gesellschaftliche Erwartungen an Körper
VI. deskriptive Theorie der Weiblichkeit und der Männlichkeit
VII. deontologischer Universalismus und Rechtfertigung des staatlichen Paternalismus
VIII. Tugendlehre der Geschlechter
IX. Phänomene der Anerkennung, psychologischer Determinisus und relationale Theorie der personalen Autonomie
X. Anwendung der Theorie der personalen Autonomie auf PU, fat shaming und die sogenannte rape culture
XI. Theorie der sozialen Gerechtigkeit
XII. Gerechtigkeitsanalyse der Arbeitswelt (Hausarbeitsdebatte und unpayed gap)
XIII. Weibliche Dominanz in den reproduktiven Rechten
Na? Ist doch ganz einfach.
Und genauso wenig, wie meine Ansichten über Philosophie umdefinieren, welches die philosophischen Themen oder Subdisziplinen sind, definieren Onyx oder Margrets Ansichten den Feminismus um. Die Themen bleiben stattdessen immer dieselben.
Nun kann es natürlich sein, daß z.B. ich zu Erkenntnistheorie oder Margret zu Geschlechterrollen Blödsinn erzählen. Und dann? Wird dann die Erkenntnistheorie neu geschrieben oder das Wissen über Geschlechter umgeschrieben? Nein. Ich und Margret, wir liegen entweder falsch oder richtig, da ist kein Unterschied nur weil es sich um ein anderes Gebiet handelt.
Was passieren kann, ist, daß Margret z.B. nicht weiß, was Simone des Beauvoir über Geschlechterrollen gesagt hat oder ich nicht weiß, was Kant über Erkenntnis sagt. Ok, das kann man nachsehen, vergleichen und – fertig. Wenn aber Margret sich ohne Nachdenken oder Wissen einfach aus dem persönlichen Gefühl der Betroffenheit irgendeinen Quatsch zu Geschlechterrollen zusammenreimt, dann erzeugt das keinen Feminismus.
Zu dieser Ansicht kann man stattdessen nur gelangen, wenn man bereits selbst eine feministische Erkenntnistheorie vertritt, nach der in einer besonderen Position des Meinungserwerbs zu sein, schon eine relativistische Rechtfertigung dieser Meinung erzeugt.
Mit anderen Worten: Der Maskulismus ist feministisch unterwandert genau dann, wenn er das Mein-FeminismusProblem ernst nimmt und glaubt, die Personen würden im Feminismus die entscheidende Rolle spielen und nicht etwa das, was diese Person sagt.