Jugendamt: Fundstück Opferabo

Ich treibe mich ja hin und wieder mit offenen Augen beim Jugendamt herum. Auch diesmal habe ich dort wieder etwas entdeckt, was deutlich macht, wie es um die Geschlechterpolitik bestimmt ist. Diesmal habe ich ein Poster entdeckt, auf dem es um Mädchen als Entführungsopfer geht. Ich hatte ja bereits Fundstücke zum Thema „Gewalt gegen Frauen durch Männer“ gepostet. Auch hier geht es im eigentlichen Sinne um Gewalt gegen Mädchen/Frauen.

papataya_verschleppung

Zunächst dachte ich, es geht um die Entführungen durch Boko Haram usw. Wenn man allerdings https://verschleppung.papatya.org/ besucht, stellt man schnell fest, dass es um andere Verschleppungen geht.

Folgendes ist dort zu lesen:

Immer wieder werden Mädchen und junge Frauen gegen ihren Willen in das Herkunftsland ihrer Familie verschleppt und zwangsverheiratet. Wenn du dich selbst gefährdet fühlst oder dir als Außenstehende/-r etwas auffällt, handle!

Ich hinterfrage ja grundsätzlich in Geschlechterdingen recht viel. Ich frage mich immer, wie denn der Kosten-Nutzen-Faktor bei solchen Organisationen ist. Daher habe ich mich auch auf „Für fachlich Interessierte“ auf der Webseite von Papatya begeben. Dort erfährt man dann das Folgende:

Die Koordinierungsstelle entstand aus den Erfahrungen, die wir in unserer anonymen Kriseneinrichtung PAPATYA und unserer Online-Beratung SIBEL zum Schutz von Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund machten. Seit knapp 30 Jahren unterstützen wir in einem Team von türkischen, kurdischen und deutschen Sozialpädagoginnen und einer Psychologin Mädchen und junge Frauen, die unter Gewalt im Namen der Ehre, Zwangsverheiratung und/oder Verschleppung ins Herkunftsland der Eltern leiden. In unserer Kriseneinrichtung PAPATYA haben schon mehr als 1800 Mädchen und junge Frauen einen sicheren Zufluchtsort gefunden. Darüber hinaus beraten wir jährlich mehr als 600 von familiärer Gewalt Betroffene am Telefon oder im Internet über unsere Online-Beratung SIBEL.

Die Organisation richtet sich also nur Mädchen bzw. Frauen mit Migrationshintergrund. In den 30 Jahren wurden pro Jahr 60 Mädchen und jungen Frauen ein sicherer Zufluchtsort gegeben. Es wird keineswegs gesagt, dass die Frauen tatsächlich von einer Zwangsehe bedroht waren. (Übrigens heiraten die Männer zumeist die Frauen auch nicht freiwillig, bekommen aber grundsätzlich keinen Zufluchtsort.)

Diesen 60 Plätzen pro Jahr stehen ungefähr 0 Plätze für Männer gegenüber. Es wird der Eindruck vermittelt, dass die Männer sich voller Freude Zwangsverheiraten lassen. Diese Unterschiede werden schon bei männlicher und weiblicher Beschneidung gemacht.

Viele der Mädchen und jungen Frauen, die sich an uns wenden, befürchten, ins Herkunftsland der Eltern verschleppt und dort zurückgelassen zu werden, wenn sie sich gegen die Heiratsabsichten ihrer Familie zur Wehr setzen oder die Familie erfährt, dass sie einen heimlichen Freund haben. Wenn sie erst einmal in der Türkei, im Irak, im Libanon oder einem anderen Land sind, meist ohne Pass und ohne Handy, sind sie ihrer Familie schutzlos ausgeliefert und können sich nur schwer dagegen wehren, einen ungeliebten fremden Mann zu heiraten.

An diesem Absatz zeigt sich dann, wie sehr Dinge ausgeblendet werden. Zunächst befürchten viele Mädchen und junge Frauen nur verschleppt zu werden. Es handelt sich also um präventive Schutzmassnahmen. Das sexistische, was ich hier sehe: Während Männer noch nichtmals nach erfolgter Gewalt als Opfer hilfe bekommen, bekommen Frauen/Mädchen schon präventiv – also vorbeugend – Hilfe.

In diesem Absatz wird auch die Täterschaft der eigenen Mütter der Mädchen hinter dem Ausdruck „Familie“ verborgen. Die Mütter gehören ebenfalls zur Familie. Das ist so ähnlich wie in den ganzen Presseberichten, in denen männliche Todesopfer hinter dem Begriff „Menschen“ versteckt werden, damit man annehmen kann, dass auch Frauen zu den Opfern zählen könnten. Es ist insgesamt eine Spielerei mit Begriffen, um die Geschlechter zu verdecken, wenn es für dann Mann positiv bzw. die Frau negativ sein könnte.

Der Mann kommt wieder ins Spiel, wenn es heißt, dass das Mädchen einen „ungeliebten, fremden Mann“ heiraten muss. Durch Sprache kann man schon einen gewissen Eindruck vermitteln. In diesem Fall wird das Opferabo gefestigt. Auch der Mann wird zur Ehe gezwungen. Das spielt allerdings keine Rolle.

Finanzierung:

PAPATYA hat von der Aktion Mensch eine 3-Jahresfinanzierung erhalten zum Aufbau einer Koordinationsstelle gegen Verschleppung, Zurücklassen und Zwangsverheiratung von Mädchen und jungen Frauen im Herkunftsland der Eltern.

Die Aktion Mensch ist zwar ein eingetragener Verein aber als Lotterie wegen des Lotteriemonopols recht eng mit dem Staat verwoben. Durch die Zulassung als Lotterie gewährt der Staat dem Verein regelmäßige, zuverlässige Einkünfte. Der Staat unterstützt hier also indirekt wieder einmal eine ausschließliche Mädchen und Frauenförderung.

Letztendlich macht Papatya aus den Zwangsheiraten eine Bedrohung für Leib und Leben der Mädchen:

Betroffene Mädchen und junge Frauen können über unsere Online-Beratung SIBEL direkt per email Kontakt zu uns aufnehmen, egal an welchem Ort und zu welcher Uhrzeit. Dadurch ist es uns in Einzelfällen in der Vergangenheit schon gelungen, einen Weg zur Rückkehr zu finden. Einige der Mädchen bleiben aber auch spurlos verschwunden, müssen vermutlich irgendwo auf dem Dorf im Libanon oder der Türkei bei Verwandten oder Schwiegereltern wohnen oder sind vielleicht schon gar nicht mehr am Leben.

Für manche ist es einfach nur ein Poster im Jugendamt. Für mich zeigt es deutlich, dass die Förderung von Frauen und Mädchen sehr einseitig in Deutschland von statten geht. Außerdem vermitteln diese Förderstellen ein eindeutig sexistisches Weltbild, in dem ausschließlich Mädchen und Frauen Opfer sind. Die ausschließliche Förderung dieser erzählt den Rest der Geschichte.

 

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    armin

    Keine Besonderen Schwerpunkte bei Faktum. Er schreibt über die Dinge, die ihn augenblicklich beschäftigen.

    Blog Comments

    Dieser und der Artikel „Fundstück: ‘Sie werden Pate und SIE wird satt’“ findet Erwähnung in einem Brief an Plan Österreich, den Wolfgang Hirschenberger auf Facebook gepostet hat:

    Die ständigen Bettelzettel (Postwurfsendungen) dieser ekelhaft sexistischen Organisation („Plan“) gehen mir schon längst auf den Sack. Dazu erschien nun endlich ein Artikel auf NICHT-feminist, der mir aus dem Herzen spricht!

    Dieser Artikel veranlasste und ermutigte mich auch dazu, den Profiteurinnen dieses ständig als „Kinderhilfsorganisation“ daherschleimenden Feministenpacks eine E-Mail im Klartext zu übermitteln. Ich kann nur hoffen, dass „Plan“ meinen Klartext liest. Und auch diesen hier, den einleitenden, erläuternden auf meinem Facebook-Profil. Denn sollte ich diesen „Plan“-Dreck noch ein einziges Mal in meinem Briefkasten finden, sehe ich mich dazu genötigt, meine Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit gegen diese sexistische Abzocke erheblich zu intensivieren. Es gilt, einen misandrischen Sumpf trocken zu legen.
    ————————————————————————————————

    Sehr geehrte Mitarbeiterinnen von „Plan“!

    Immer wieder erhielt ich in den vergangenen Jahren Bettelbriefe von „Plan“. Lange Zeit habe ich mich damit begnügt, diese Zusendungen einfach zu ignorieren bzw. sofort wegzuwerfen.

    Mittlerweile ist allerdings nicht nur ein Prozess des Erkennens im öffentlichen Bewusstsein so weit fortgeschritten, sondern auch ein sprachlicher Formalismus für die Inhalte dieses Prozesses so weit entwickelt, dass ich mich dazu veranlasst sehe, Ihnen gegenüber auch zu BEGRÜNDEN, warum ich für „Plan“ niemals Bargeld gespendet habe, und warum ich Ihre Organisation auch in Zukunft in keiner Weise unterstützen werde.

    Erstens war mir Senta Berger schon immer höchst unsympathisch. Bei Senta Bergers Schirmherrschaft handelt es sich um billigste, geradezu obszöne Publicity. Aber diese subjektive, persönliche Einschätzung ist bei weitem nicht der wesentliche Punkt.

    Zweitens, und hier wird es viel interessanter, gibt es immer mehr Menschen, denen Ihre sexistischen, misandrischen Zusendungen so maßlos auf die Nerven gehen, dass sie sich, sobald sie einen Umschlag mit dem „Plan“-Logo im Briefkasten entdecken, förmlich am Rande des psychischen Triggers fühlen (ähnlich, wie z. B. Opfer sexueller Gewalterfahrung durch bestimmte Wahrnehmungen „getriggert“ werden können). Natürlich können Sie niemals wissen, welche Menschen mit welchem (biographischen oder sonstigen) Hintergrund Ihre Zusendungen erreichen. Wir finden es schlichtweg zynisch, abstoßend und letztlich auch unmenschlich, mit welcher Nonchalance Sie Knaben in die zweite und dritte Reihe verfrachten.

    Deshalb informiere ich Sie ja darüber. Damit es sitzt: viele meiner Leidensgenossen und auch mich versetzen Ihre aufdringlichen Bettelbriefe in den Zustand der Abwehr, der Verärgerung, des Ressentiments. Und ganz unabhängig von der sicherlich diskutablen Frage, ob dies Ihren (politischen bzw. politisch korrekten?) Intentionen entspricht oder nicht, dürfte eines zweifelsfrei feststehen: Einer Erhöhung der Spendenbereitschaft ist Ihr sexistischer Stil sicher nicht zuträglich.

    Zugute halten kann ich mir jedoch, dass ich einige meiner Bekannten bereits mittels gut argumentierter Überzeugungsarbeit davon abhalten konnte, Geld für „Plan“ zu spenden.

    Zu guter Letzt und zu allem Überfluss erschien auf einer feminismuskritischen Website am 31. Okt. 2014 auch noch folgender Artikel:

    http://nicht-feminist.de/2014/10/fundstueck-sie-werden-pate-und-sie-wird-satt/

    dem gestern, am 21. Nov. 2014 dieser Artikel folgte:

    http://nicht-feminist.de/2014/11/jugendamt-fundstueck-opferabo/

    Wie ich doch sehr hoffe, müsste das reichen, um Sie davon zu überzeugen, dass es das Beste ist, vorsorglich gleich mal alle aus Ihrer Verteilerliste zu streichen, die eine Postadresse in der XXXXX im XXXXX Gemeindebezirk haben. Um klar zu stellen: ich bin nicht an einer Diskussion oder gar an einem ausgedehnten E-Mail-Verkehr mit Ihnen interessiert. Mir geht es lediglich darum, Ihre sexistischen Postwurfsendungen nicht mehr zu erhalten.

    Mit freundlichen Grüßen
    Wolfgang Hirschenberger

    Vielen Dank dafür!

    Super Recherche. Ich danke dir. In Deutschland gibt es nur die Heirat aus finanziellen Gründen und Hypergamie (das „Hinaufheiraten“ in eine höhergestellte soziale Gruppe, Schicht, Klasse oder Kaste).

    Ich frage mich ob das so viel besser ist. Ob die Frauen wirklich glücklicher sind? Ist Geld wirklich das wichtigste für eine Frau? Ich finde wir sollten anderen Kulturen nicht vorschreiben wie sie zu leben haben. Jedem das seine.

    Ich glaube, Frauen machen das alles nicht beabsichtigt. Sie werden so erzogen, dass sie ein gewisses Anspruchsdenken entwickeln (müssen). Allerdings habe ich auch selbst erfahren müssen, dass sich eine Frau gegen die Liebe und für sozialen Status entschieden hat. Ich möchte daraus aber keine Verallgemeinerungen ableiten. 😉

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